Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
morgen.«
Büchners Drama »Dantons Tod« spielte in der Französischen Revolution, zu einer Zeit, wo Robespierre die Guillotine schon zum wichtigsten Instrument der Machtausübung erkoren hatte. Dem Deputierten Danton war das alles zuwider:
Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet?
Er glaubte nicht mehr daran, daß die Revolution dem Volk die Freiheit gebracht habe.
Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!
Ja, schlimmer noch:
Das Nichts hat sich ermordet, die Schöpfung ist seine Wunde, wir sind seine Blutstropfen, die Welt ist das Grab worin es fault.
Dem Tribunal, vor dem er sich verantworten soll, stellt er die Frage:
Wie lange sollen die Fußstapfen der Freiheit Gräber sein?
Ihr wollt Brot, und sie werfen euch Köpfe hin. Ihr durstet, und sie machen euch das Blut von den Stufen der Guillotine lecken.
Dem Despoten Robespierre war es ganz recht geschehen, daß er später selber der Schreckensherrschaft zum Opfer fiel, die er heraufgeführt hatte.
Papa sagte, daß die Französische Revolution nichts anderes gewesen sei als ein einziges blutiges Gemetzel. Aber hätten die Franzosen denn stattdessen einfach weiter stumm und dumm dem König dienen und gehorchen sollen?
Michael schrieb ich, daß er mir lieber wieder Briefe schicken solle, denn wenn ich die Postkarten lochte, um sie abheften zu können, fielen ganze Wörter in seiner winzigen Schrift dem Locher zum Opfer.
Johannes Vorster, Südafrikas Chefrassist, war vom Amt des Staatspräsidenten zurückgetreten. Primadobel. Ein Arschgesicht weniger in den Nachrichten! Doch leider wuchsen unaufhörlich neue nach.
Unser Haus auf dem Mallendarer Berg wollten Mama und Papa dem Mieter verkaufen, der darin wohnte, und in Meppen ein anderes Haus kaufen oder mieten und dann später, nach Papas Pensionierung, nach Jever ziehen.
Er würde gern auch nach Hebelermeer ziehen, sagte Papa. So richtig in die Walachei.
»Da zieh du man fein allein hin«, sagte Mama. »Dann kannst du mir ja nach Jever schreiben, wie schön es ist, wenn da bei dir im Moor der Winterwind ums Haus heult.«
In Büchners Erzählung »Lenz« beklagte sich die durchgedrehte Hauptperson über ihr Los:
»Ja, Herr Pfarrer, sehen Sie, die Langeweile! die Langeweile! o! so langweilig, ich weiß gar nicht mehr, was ich sagen soll ...«
Dazu fiel dem Pfarrer nur ein, daß Lenz sich zu Gott wenden solle, und Lenz erwiderte:
»Ja wenn ich so glücklich wäre, wie Sie, einen so behaglichen Zeitvertreib aufzufinden, ja man könnte sich die Zeit schon so ausfüllen. Alles aus Müßiggang. Denn die Meisten beten aus Langeweile; die Andern verlieben sich aus Langeweile, die Dritten sind tugendhaft, die Vierten lasterhaft und ich gar nichts, ich mag mich nicht einmal umbringen; es ist zu langweilig ...«
Was reine Langeweile war, hatten also schon ganz andere Geister erfahren als Michael Gerlach und ich.
Der Komiker Heinz Erhardt war gestorben. Den hatte Mama mal live erlebt, auf einer Bühne in Hannover. »Papa hat mich da mit hingeschleppt, und der hat sich auch köstlich amüsiert, aber für mich ist das nix gewesen. Mit ’nem Schulranzen auf dem Rücken ist dieser dicke Kerl da rumgehopst.«
»Wer? Papa?« fragte Wiebke, total verblüfft.
»Nein, Heinz Erhardt natürlich! Und vor fünfundzwanzig Jahren ist dein Vater auch noch nicht dick gewesen!«
»Da ist er noch nicht mal dein Vater gewesen«, sagte Volker.
Sehr geistreich, diese Unterhaltung.
Wenn man einem Test im Stern vertrauen durfte, besaß ich gerade noch zehn bis zwanzig Prozent Sehkraft. Selbst mit Brille befand ich mich an der unteren Grenze des Normalbereichs, und mit bloßen Augen konnte ich bei der ersten Aufgabe aus den vorgeschriebenen fünf Metern Entfernung nicht einmal die oberste Reihe entziffern. Noch ein paar Jährchen, und ich wäre blind. Und woran sollte ich dann die Frau meines Lebens erkennen? Welche Frau ließ sich denn wohl von einem Blinden betasten, der herausfinden wollte, ob sie zu ihm passen könnte?
Mama wollte nach Jever fahren, um sich da ein Haus zu bekucken.
Das verstand ich nicht. »Wieso? Was für’n Haus? Papa wird doch noch lange nicht pensioniert?«
»Richtig«, sagte Mama, doch es gebe inzwischen auch die Überlegung, inwieweit es für uns alle praktischer wäre, wenn sie, also Mama, erst einmal mit Wiebke und mir nach Jever ziehe, ohne Papa, vorläufig, und daß Papa dann später nachkommen werde. »Aber sag Wiebke bitte nichts
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