Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Angelegenheit zog sich gewaltig in die Länge, und ich war froh, daß ich vorher noch einmal verschwinden gegangen war.
Bis daß der Tod euch scheide. Eigentlich ja nicht sehr nett, ein glückliches Brautpaar im feierlichsten Augenblick der Trauungszeremonie ans Draufgehenmüssen zu gemahnen ...
Als Olaf und Renate sich küßten, dachte ich eine halbe Sekunde lang, wir müßten Beifall klatschen. Gut, daß ich nicht aus Versehen damit angefangen hatte!
Hinterher wurden noch massenweise Gruppenfotos vor der Kirche aufgenommen.
Zur Erfrischung gab’s bei uns dann Sekt auf der Terrasse. Wer will nochmal, wer hat noch nicht?
Tante Dagmar schoß Fotos, aus allen Lagen, und Olaf filmte die Lüttjes-Schwestern mit seiner Super-8-Kamera.
Und auf einmal schlug Mama die Hände überm Kopf zusammen und rief: »Die Torten! Ich hab vergessen, die Torten aus dem Eis zu nehmen, ich Rindvieh!«
Die tiefgefrorenen Torten steckte Mama in den Backofen.
»Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau!« rief Onkel Rudi von hinten.
Tante Dagmar war in Neapel gewesen. »Die Italiener sehen da ja wirklich alle aus wie Vico Torriani«, sagte sie. »Oder noch schlimmer.«
Was sie denn zur Nominierung ihres verehrten Freundes Franz-Josef Strauß zum Kanzlerkandidaten sage, wollte Gustav wissen.
»Meines verehrten Freundes? Du hast wohl zuviel Sekt getrunken!«
Er finde das einfach gottvoll, sagte Gustav, und er könne es noch immer nicht so richtig fassen. »Ich muß jedesmal schmunzeln, wenn ich daran denke. Oder besser gesagt gnickern. Strauß als Kanzlerkandidat!«
Auf der Terrasse wurde ein großes Familienfoto geschossen. Onkel Rudi und Onkel Edgar lösten sich dabei ab.
»So jung kommen wir nicht mehr zusammen ...«
Schinkenröllchen, Tomatensalat und Melonenscheiben. In meinem Zimmer begutachtete Onkel Rudi danach mürrisch mein Bücherregal. »Das sind ja alles bloß Paperbacks ...«
Na und? Hatte der geglaubt, daß ich hier schweinsledergebundene Gesamtausgaben stehen hätte?
Dann erblickte er meine Spiegel -Sammlung und sagte, daß er seine eigene schon vor Jahren weggeschmissen habe. Dreizehn, wenn nicht fünfzehn Jahrgänge seien das gewesen, und die hätten nur nutzlos im Keller rumgelegen. »Das sind Mengen, die sich allenfalls nach Zentnern rechnen lassen.«
Schade! Diese Jahrgänge hätte ich gern geerbt.
Von allen anderen kriegten Mama und Papa Silberbesteck geschenkt und nur von mir eine Schachtel Pralinen. Für Renate und Olaf hatte ich bei Ceka eine im Preis herabgesetzte Blumenvase erstanden.
»Unsere eigenen Hochzeitsgeschenke packen wir aber erst morgen vormittag aus«, sagte Renate.
Das sei mir ja wohl klar, bekam ich von Tante Dagmar zu hören, daß ich meine Kusinen heute abend nicht sitzenlassen dürfe beim Tanzen.
Tanzen! Heiliger Bimbam! An diese Gefahr hatte ich noch gar nicht gedacht. Herrschte bei der Feier Tanzzwang? Und wenn ja, wie sollte man denn bittesehr tanzen, wenn man sich aus gutem Grund vor dem Besuch der Tanzschule gedrückt hatte? Ich wollte nur gemütlich dasitzen, Wein trinken und mich nett unterhalten, aber nicht zu irgendwelchen Walzerklängen durch die Bude hopsen.
Meine Antwort war offen und ehrlich: »Tanzen kann ich erst, wenn ich genug getrunken habe.«
Für den Abend hatte sich Mama ihr langes Blumenmusterkleid angezogen, und um halb sieben fuhren wir, das heißt Papa, Mama, Volker, Wiebke und ich, mit dem Peugeot nach Esterfeld zum Parkhotel, wo die Feier steigen sollte. Auch da gab’s wieder Sekt zu saufen, dargeboten von schnuckelig rüschengeschürzten Serviermädchen mit künstlich aufgesetzter Freundlichkeitsgrimasse. Daß die in so affigen Kostümen herumlaufen mußten, war vermutlich im Gesamtpreis inbegriffen.
Zwischen Vorspeise und Hauptgang stand Onkel Rudi auf und las aus alten Schriftstücken von Mama und Papa vor. »Meiner Ansicht nach erlauben diese Briefe Rückschlüsse auf den Charakter unserer Gastgeber ...«
Und dann folgten, zur Erheiterung der versammelten Sippenmitglieder, ein paar Stellen, in denen vor allem Papa Onkel Rudi irgendwann mal herb zurechtgewiesen hatte.
Papa gab darauf im Stehen eine Erwiderung und kündigte an, daß er bei der Feier von Oma Schlossers achtzigstem Geburtstag selbst eine Ansprache halten werde.
»Dem sehe ich dann mit Gelassenheit entgegen!« rief Onkel Rudi.
Auf allen Tischen lag die von Mamas verfaßte Hochzeitszeitung aus. Ein merkwürdiger Brauch. In dieser Zeitung stand der Text eines Liedes, das Mama nach
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