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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Nach diesem Tanz hatte ich Orientierungsschwierigkeiten.
    »Nun sind bald alle balla-balla”, hörte ich Papa sagen.
    In der Kloschüssel, für die ich mich entschieden hatte, weil mir das Gedrängel an den Urinalen viel zu groß war, pappte ein schwarzer Kackrest, den ich wegzupinkeln versuchte. Um besser zielen zu können, kniff ich ein Auge zu.
    War ich duhn?
    Ich leerte noch einmal ein Glas Wein und dann noch eins und noch eins, und dann kam Kirstín wieder an und forderte mich auf.
    Das Diabolische an diesem Tanz war die Tatsache, daß man dabei Faxen machen mußte. Es ging damit los, daß man sich beim Tanzen gegenseitig mit der Nasenspitze berühren sollte, und der Musikant skandierte dazu:
    Nasi, Nasi, Nasi, Nasi, Nasi!
    Schlimmer könne es nicht mehr kommen, dachte ich, aber das war ein großer Irrtum. Jetzt sollte Schulter an Schulter getanzt werden.
    S chulti, Schulti, Schulti, Schulti ...
    Und dann ging’s immer tiefer nach unten, bis hin zu der Aufforderung, sich mit den Ärschen anzurempeln.
    Arschi, Arschi, Arschi, Arschi, Arschi ...
    Was für ein ekliger und primitiver Mist! Wo waren wir denn hier? Auf der Betriebsfeier einer Irrenanstalt?
    Ich beschloß, daß das mein letzter Tanz gewesen war. Von nun an würde ich hart bleiben. Und mich nicht mehr demütigen lassen. Alle Kusinen, die jetzt noch was von mir wollten, würden sich eine eiskalte Abfuhr abholen. Wer wußte schon, was dieser Musikantentrottel sonst noch auf Lager hatte? Nachher mußte man vielleicht noch Can-Can tanzen. Oder strippen.
    Quoth the Raven, »Nevermore.«
    Und wie ich schwitzte! Mein Oberhemd – quaddernaß! Ich zog das Jackett aus und lockerte den verfluchten Schlipsknoten. Ein neues Glas Wein mußte her, aber schnell! Oder besser gleich ’ne ganze Flasche!
    Tante Doro und Onkel Jürgen am Nebentisch vermochte ich nur noch verschwommen zu erkennen. Den Dellbrügge sah ich doppelt und Tante Gisela sogar in dreifacher Ausfertigung, wie auf einem mehrfach belichteten Foto.
    Und dann wurde mir grabesübel, von einer Sekunde auf die andere.
    Raus hier, dachte ich. Raus!
    Und zwar sofort.
    Nach draußen.
    Kotzen.
    Jetzt.
    Sei ein Mann!
    Erhebe dich, Martin Schlosser!
    Beim Aufstehen merkte ich, daß eines meiner Beine eingeschlafen war, aber davon durfte ich mich nicht aufhalten lassen. Auf dem Weg zur Tür taumelte ich zu meiner eigenen Überraschung schräg nach links und mußte mich auf einem Tisch abstützen, um nicht umzufallen.
    »Martin, Junge, ist alles in Ordnung mit dir?« rief Tante Hilde erschrocken.
    Ich biß die Zähne zusammen. Keine Zeit für lange Erklärungen.
    Weiter. Raus hier, raus! Nach draußen, an die frische Luft, und dann herzhaft in die Rabatten reihern! Ohne Augenzeugen! Hier handelte es sich um eine Sache, die ich ganz allein mit mir abmachen wollte. Oder von mir aus mit dem lieben Gott und mir, aber nicht mit einer kompletten Hochzeits-, Geburtstags- und Silberhochzeitsgesellschaft der Sippen Lüttjes und Schlosser.
    Irgendwie schaffte ich es noch bis zu der Tür, die ins Foyer führte, und es gelang mir auch, sie hinter mir zuzuziehen und in Richtung Ausgang zu torkeln, der Rettung entgegen, einem stillen Winkel im Gebüsch vor dem Parkhotel, wo ich mich ungestört übergeben wollte – raus damit, raus mit dem ganzen widerlich süßen Wein und dem Festessen und der beschissenen Liederjauche, an einer Stelle, wo mir niemand zusehen und zuhören konnte, ja, und hinterher manierlich und gefaßt in den Festsaal zurücktrotten, so als ob gar nichts passiert wäre, wie schön, o wie schön wäre das gewesen, doch der Wein und das Festessen hatten andere Pläne, schwappten hoch und waren nicht mehr zu bremsen.
    Mit der Ausgangstür vor Augen klappte ich im Foyer zusammen und erbrach mich dort auf einen Teppich. So doll wie diesmal hatte ich noch nie zuvor gekotzt. Als wolle restlos alles raus, was ich jemals zu mir genommen hatte; nicht nur an diesem Abend, sondern seit meiner Geburt.
    So mußte es sich anfühlen, wenn man starb.
    Das Dumme war, daß mir von dem Geruch der schmierigen Kotze abermals übel wurde. Und es erstaunte mich, was mein Magen so alles hergab. Konnte ich dieses Zeug alles gefressen und gesoffen haben? An einem einzigen Abend?
    Das Fremdwort »konvulsivisch« fiel mir ein, als immer noch ein neuer Schwall zum Vorschein kam, und noch einer, und noch einer, bis meine Eingeweide ihre Schuldigkeit getan hatten.
    Auf allen vieren im Morast. Im Parkhotel. An Renates Hochzeitstag. Und

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