Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
hatte ich nichts für Bornemans politisches Endziel übrig.
Der entsetzliche »Kampf der Geschlechter«, den das Patriarchat als »naturgegeben« und »unabänderlich« betrachtet, wird entweder mit der Zerstörung der Menschheit oder mit dem Verzicht auf diesen Kampf enden: mit dem Verzicht auf die Geschlechtlichkeit überhaupt.
Damit war es ihm ernst:
Der klassenlosen Gesellschaft der Zukunft entspricht die geschlechtslose Zukunft unserer Spezies: Die eine ist nicht ohne die andere erzielbar.
Ach nee? Dann aber ohne mich. Für eine geschlechtslose Zukunft war ich nicht zu haben.
Fast in jeder Nacht platzte Mama irgendwann in mein Zimmer und schimpfte darüber, daß meine Lampe noch an war und daß ich mir vorm Einschlafen die Brille nicht abgenommen hatte.
Ich schlief nun mal gern ein mit Brille auf und Licht an und mit einem Buch in der Hand. Was war denn daran bloß so schlimm?
Mama konnte dagegen niemals richtig fest schlafen oder jedenfalls nicht länger als zwei Stunden oder so. Das fand ich viel unnatürlicher.
Er sei jetzt ebenfalls ins Feuilletongeschäft eingestiegen, sagte Hermann und hielt mir triumphierend ein Buch hin, das er als Rezensionsexemplar vom Maro-Verlag geschickt gekriegt hatte: »Kaputt in Hollywood« von Charles Bukowski. Die Geschichten seien ziemlich schweinisch, aber sie würden einem gut die Schattenseiten des American Dream zeigen.
Papas 52. Geburtstag ging ohne Feier vonstatten. Von Mama bekam Papa einen neuen Schlips geschenkt, und abends wurde Rotwein gesoffen. Dabei stellte sich heraus, daß Papa mit den Grünen sympathisierte: »Ich bin ja selbst ’n Grüner! Mit der Kompostwirtschaft habe ich schon angefangen, als diese Figuren noch am Daumen genuckelt haben! Aber wählen tu ich die nicht. Dafür sind die mir alle zu halbgar gebacken.«
Zum Besprechen erhielt ich dann die LP mit den Aussagen Bertolt Brechts vor dem Komitee für unamerikanische Aktivitäten. Da war Brecht 1947 immer wieder gefragt worden, ob er jetzt oder jemals Mitglied der kommunistischen Partei irgendeines Landes gewesen sei oder jemals Sitzungen einer kommunistischen Partei besucht habe, und Brecht hatte alle diese Fragen verneint.
Und was wäre gewesen, wenn er im Exil an der Sitzung einer kommunistischen Partei teilgenommen hätte? Die USA hatten doch damals selbst gemeinsame Sache gemacht mit der Sowjetunion, um das Dritte Reich zu besiegen? Was also hatte dieser Quatsch gesollt, alle möglichen Leute auf Herz und Nieren zu prüfen, ob sie jemals mit Kommunisten gegen die Nazis konspiriert hätten?
Aus den Amis wurde man nicht schlau. Einerseits hatten sie uns im Bündnis mit der UdSSR von den Nazis befreit, und andererseits unterstützten sie in aller Welt die dreckigsten Militärdiktaturen, und im eigenen Lande erduldeten sie die das Verbrechertum einer milliardenschweren Mafia.
Und sie drehten immer noch die besten Filme. In der ARD lief der letzte, in dem John Wayne aufgetreten war: Da spielte er, selber schon krebskrank, einen krebskranken Revolverhelden. James Stewart spielte den Doktor, der ihm die Diagnose stellte, daß er bald sterben werde, und Lauren Bacall spielte die Gastwirtin, in deren Haus sich der unverbesserliche Haudegen auf sein letztes Gefecht vorbereitete.
Ich fand es schade, daß Papa sich das nicht mit ansah. Den Galgenhumor dieses Films hätte er wahrscheinlich verstanden, doch er hatte halt im Keller wieder einmal irgendwas zu schnurpseln.
Meine Besprechung der Platte mit Bertolt Brechts Aussagen hatte ich mit einem Zitat von Thomas Mann eingeleitet, wonach der Antikommunismus »die Grundtorheit dieses Jahrhunderts« sei, und das brachte Gregor Hellermann auf die Palme. Das Zitat hätte ich aus dem Zusammenhang gerissen: »Es ist doch zumindestens unklar, in welchem Zusammenhang diese Äußerung gestanden hat!«
Wenn einer »zumindestens« sagte, hatte ich schon keine Lust mehr, dem eine Antwort zu geben.
Fairer und journalistisch sauberer, sagte Gregor Hellermann, hätte er es gefunden, wenn ich die Platte sachlich und informativ vorgestellt und anschließend, klar davon getrennt, meine persönliche Meinung dazu geäußert hätte. Und es störe ihn auch, daß ich eine durch nichts bewiesene Verbindung zwischen der Tätigkeit des Ausschußvorsitzenden im Komitee und der zwei Jahre später erfolgten Festnahme dieses Vorsitzenden hergestellt hätte. Dabei hatte ich doch nur geschrieben:
Übrigens wurde der Vorsitzende dieses Komitees für politische Sauberkeit
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