Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
abends drei Kellen aus dem Rumtopf in der Vorratskammer, und dann las ich in Günter Wallraffs neuem Buch über die Bild -Zeitung. Einmal waren Bild -Reporter in eine Wohnung eingebrochen, um Fotos zu stehlen, ein andermal hatte die Redaktion einen Haftentlassenen durch Rufmord in den Tod getrieben, ein Mann hatte sich umgebracht, weil der Selbstmord seiner Frau in Bild auf zynische Weise falsch dargestellt worden war, und der Hauptgewinner dieser mörderischen Machenschaften, der Verleger Axel Springer, trug das Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband.
Nach Papas Absprache mit irgendwelchen Fritzen vom Bundesvermögensamt hätte das Hausdach im September neu eingedeckt werden sollen. »Zehn Wochen ist das jetzt her«, sagte Papa, »und alles, was hier lagert, ist eine einzige kümmerliche Musterdachpfanne.«
Papa wollte jetzt einfach fünf Prozent weniger Miete zahlen. Dann würden die Brüder da schon irgendwann auf Trab kommen.
Im Ersten lief ein Film, in dem sich eine triebhafte französische Lokomotivführertochter die Syphilis einhandelte, aber von dem Treiben kriegte man nicht viel zu sehen, sondern nur, wie die Hauptdarstellerin einmal nackt im Bett lag und wie sie sich halbnackt hinter einem durchsichtigen Vorhang obenrum wusch. Weil sie dann ihre Eltern vergiftete, sollte sie öffentlich geköpft werden.
Der Schuber mit »Così fan tutte« war eingetroffen. Drei Langspielplatten mit einer Aufzeichnung von den Salzburger Festspielen 1974. Der damals achtzig Jahre alte Karl Böhm hatte die Wiener Philharmoniker dirigiert, und es sangen unter anderem Hermann Prey, Peter Schreier, Brigitte Faßbender und der Wiener Staatsopernchor.
Als Sänger mit Nachnamen Schreier zu heißen, oje.
Es lag auch ein 58 Seiten langer Textband dabei.
Un’aura amorosa
Del nostro tesoro ...
Das war die Arie, die mir am besten gefiel. Die Handlung fand ich so lala: Zwei Männer testeten die Treue ihrer Bräute, indem sie sich ihnen verkleidet näherten und ihnen in fremder Gestalt den Hof machten. Aber auf die Handlung kam es bei Opern wohl nicht so sehr an. Sonst hätten ja die Librettisten berühmter sein müssen als die Komponisten.
In dem Krimi »Die Dame im See« sah man alles aus dem Blickwinkel des Helden und ihn selber nur im Spiegel. Das war am Anfang ganz originell, aber schon nach ein paar Minuten ging es mir auf die Nerven.
Das hätte man mal in Bio untersuchen müssen. Neurosekretion und Histidinsynthese.
»Mir kommt das vor wie der Streit um des Kaisers Bart«, sagte der Buddrich, in Deutsch, und dabei hatte der selbst so einen rechtwinkligen Backenbart.
Die Amis hatten den Import von Öl aus dem Iran gestoppt und iranische Guthaben in Höhe von zwölf Milliarden Dollar eingefroren, und in Teheran schwenkte die Meute brennende amerikanische Flaggen.
Komisch, daß diese Leute immer die Zeit hatten, wütend auf der Straße herumzurennen. Mußten die nicht auch mal arbeiten gehen? Oder den Rasen mähen? Oder gab es im Iran überhaupt keinen Rasen und keine Arbeitsplätze?
Zur Besprechung in der Schülerzeitung hatte ich mir zwei neue Bücher bestellt:
Sebastian Haffner, »Die deutsche Revolution 1918/19«, und Ernest Borneman, »Das Patriarchat«.
Was für ein Schurke dieser Gustav Noske gewesen war! Der hatte als Sozialdemokrat mit den Mördern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht paktiert. Über Friedrich Ebert, den ersten sozialdemokratischen Kanzler, schrieb Haffner, daß er »ein kleiner Dicker« gewesen sei, »kurzbeinig und kurzhalsig, mit einem birnenförmigen Kopf auf einem birnenförmigen Körper«, und daß er am 9. November 1918 eine »wäßrige Kartoffelsuppe« geschlürft habe. Mußte man das wissen?
Ernest Borneman ärgerte sich darüber, daß ihm für seinen fast siebenhundert Seiten langen Schinken »Das Patriarchat« nicht oft genug auf die Schulter geklopft worden war:
Mit dem mir von meinen Eltern vererbten Optimismus hatte ich erwartet, daß eine Arbeit, an der jemand mit Verzicht auf die übliche Entlohnung ganze vierzig Jahre lang gesessen hatte, auch von ihren Gegnern als schiere Arbeitsleistung honoriert werden würde. Denn daß jemand so lange und so intensiv an einem einzigen Werk arbeitet, geschieht ja heute sehr selten. Aber gerade das wurde mir übelgenommen.
Um das Buch bis hinten durchzulesen, hätte ich mich allerdings stärker für Stichbandkeramik, Ackerbau, Metallbearbeitungsverfahren und griechische Handelsknotenpunkte interessieren müssen. Außerdem
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