Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
weiterer Bienenkorb mit der Aufschrift »Pakistan«, und im Hintergrund stand ein trauriger Afghane, der die Schultern hängen ließ. Unterzeile:
»Hoffentlich kommt sein Appetit nicht beim Essen!«
Ob in der Meppener Tagespost wohl jemals eine Karikatur von Uncle Sam erschienen war, wie der sich den Honig aus einem Bienenkorb mit der Aufschrift »Vietnam« einverleibt?
Nachmittags um halb vier rief Mama mich aus meinem Zimmer runter. »Hier ist Besuch für dich!«
Und o Wunder, unten vor der Haustür standen Angela Hofacker und Udo Zobel. Die wollten mich abholen, zum Plattenhören und Quatschen in Haren, bei Angela, und da ließ ich alles stehen und liegen.
Angela war schon achtzehn und sowohl im Besitz eines Führerscheins als auch einer Winzkarre. Die hatte sie auf dem unbebauten Unkrautgrundstück schräg gegenüber geparkt.
In ihrem Zimmer in Haren legte Angela eine LP auf. »Bob Dylan at Budokan«.
How many roads must a man walk down
Before you call him a man?
An den Wängen hingen bunte Tücher, und man konnte sich auf Kissen und Matratzen langmachen. Stühle gab’s nicht und auch keinen richtigen Tisch, sondern nur ein Schränkchen mit ’nem Holzbrett zum Herausziehen, und alle Indizien deuteten darauf hin, daß Angela genau dort ihre Hausaufgaben zu erledigen pflegte.
Wir redeten eine Weile über die Penne und dann auch über den Buddrich und andere Mitschüler, und Angela erzählte, daß die Mutter von Kerstin Dröse neulich zur Polizei gegangen sei, um Anzeige zu erstatten, gegen einen Typen aus Lathen, der ihre Tochter verführt habe, und die sei doch erst siebzehn und der schon über dreißig, und wo wir denn da hinkämen und so weiter.
Udo lachte, und Angela sagte: »Hat die ’ne Ahnung ...«
Ich hätte gern gewußt, ob Angela und Udo ein Paar waren, und dann traf mich fast der Schlag, als ich Bob Dylan singen hörte.
The guilty undertaker sighs
The lonesome organ grinder cries
The silver saxophones say I should refuse you ...
Ich kriegte eine Gänsehaut, überall.
The cracked bells and washed-out horns
Blow into my face with scorn,
But it’s not that way,
I wasn’t born to lose you ...
Dylan sang das alles ganz langsam, und er zerdehnte die Vokale.
I want you ...
Allein in der Betonung des langgezogenen ersten Vokals kam eine derartige Sehnsucht zum Ausdruck, daß ich bald hintenübergefallen wäre auf meiner Matratze, wenn ich nicht schon rücklings dagelegen hätte.
And the saviors who are fast asleep,
They wait for you,
sang Dylan.
And I wait for them to interrupt
Me drinkin’ from my broken cup
And ask me to
Open up the gate for you ...
»Ist was mit dir?” fragte Udo. »Du siehst so verzückt aus!«
»Ja, ich finde diesen Song so gut ... kann ich mir die mal ausleihen, die Platte?«
Zuhause saß ich dann wie betrunken vorm Plattenteller.
Now all my fathers, they’ve gone down,
True love, they’ve been without it ...
Exakt. So war’s. Und diese Stimme! Und die Sache, um die es da ging: Ein Mann ist hoffnungslos verliebt in eine Frau und trinkt sich einen an und weiß, im Innersten, daß er nicht dazu geboren worden ist, um unglücklich zu sein, und er hofft, daß diese Frau irgendwann zu ihm anspaziert kommt, durchs geöffnete Gartentor.
Diesen Song hörte ich mir wieder und wieder und wieder an.
Honey, I want you ...
An Michaela Vogt dachte ich dabei, aber auch an alle möglichen anderen Mädchen, bis von untenher Papas Stimme erscholl: »Martin! Bring das Fahrrad in Keller!«
In Karlsruhe war eine neue Partei gegründet worden. Die Grünen. Aber statt da einzutreten und vor Freude im Sechseck zu springen, hielt Axel Reinert sich zurück: Man müsse erst einmal abwarten, wie die sich entwickelten. Er habe nichts übrig für Splittergruppen.
Zur nächsten Redaktionssitzung kamen auch Angela und Udo.
Denen konnten wir den soeben aus dem Briefkasten gefischten Beitrag eines anonymen Schülers über den Biopauker Kleinschmidt präsentieren.
Deutschlands letztes Großwild Werner Kleinschmidt (lat. Terralogicus biologicum drögii) mißt etwa 180 cm. Kantige Schädelkonstruktion mit warzenförmigem Fortsatz im Zentrum der Frontpartie. Obwohl zur Familie der Unken gehörend, hat er ein durchaus humanoides Aussehen. Ein bisher ungelöstes Problem bereitet er der Wissenschaft durch einen grünen, an einer seiner Extremitäten hängenden Körperteil (bucherus linderum). Befindet sich terralogicus biologicum drögii in geschlossen Räumen, überkommt ihn
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