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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Hupkonzerte.
    »Ich glaube, ich werde seekrank«, sagte Michael nach einem höchst gewagten Überholmanöver. »Und das auf ebener Erde!«
    Auf dem weitläufigen Campingplatz fanden wir zwar eine ganz passable Stelle, doch beim Aufbauen der Zelte merkten wir irgendwann, daß bei Michaels und meinem mysteriöserweise die obere Querstange fehlte. Wir gingen nach einem Ersatzobjekt suchen und entschieden uns für einen dürren Holzstrunk, der sich leider als nur eingeschränkt funktionstüchtig erwies. Schon bei der kleinsten Erschütterung drohte unsere kippelige Konstruktion in sich zusammenzustürzen.
    Dem Durchhängen der Zeltwände versuchte Michael mit Schnüren und Wäscheklammern abzuhelfen, was ihm leider nur unvollkommen glückte.
    Auf dem Lokus erwartete mich die nächste freudige Überraschung in der Form von Yogatoiletten à la francaise – Buden mit einem Loch ohne Kloschüssel obendrüber. Und damit auch die Deutschen erfuhren, wo sie sich nach getaner Tat die Hände waschen konnten, hatte man an der betreffenden Stelle ein Schild mit der Aufschrift »Spühlbecken« befestigt.
    Da wir uns ja nun schon mal in Italien aufhielten, wollten wir nach der Verrichtung der dringendsten körperlichen Bedürfnisse italienisch essen gehen. Um das Campiggelände zu verlassen, mußten wir knapp einen Kilometer bergab latschen. Zu beiden Seiten des eisernen Eingangstors ragte eine stacheldrahtbewehrte Mauer in die Höhe. Das Tor selbst war zwei Meter hoch und seinserseits mit einem gebieterisch wirkenden Schild versehen:
    Open 7–23
    Bis elf Uhr nachts durfte man sich als Gast in Florenz herumtreiben, und wer zu spät kam, der wurde erst morgens um sieben hineingelassen.
    Gut. Wir wollten ja nur eine Pizza essen gehen, und aus einem Uhrenvergleich ergab sich die Gewißheit, daß wir bis zum Ladenschluß noch mehr als zwei Stunden Zeit hatten.
    Gegenüber vom Eingangstor existierte eine Bushaltestelle. Dummerweise lag der Campingplatz außerhalb des Gebiets, das auf dem Stadtplan verzeichnet war, und den Busfahrplan kapierten wir nicht. Zu Fuß wär’s in die Innenstadt zu weit gewesen, und weil es auch in der näheren Umgebung keine Pizzeria zu geben schien, traten wir einen taktischen Rückzug an.
    Zu fressen hatten wir nicht mehr viel. Udo rückte noch zwei Tafeln Schokolade heraus, und Michael verteilte Hustenbonbons.
    Gute Nacht.
    In meinem Schlafsack fror ich wie ein Schneider. Viel zu dünn, das Ding! Aber es herrschten auch Temperaturen in Italien, davon hatte mir noch keiner was verraten. Frühlingsnächte in Florenz, darunter stellte man sich doch wohl irgendwas mit warmen Brisen vor, die einen sanft umfächelten, und nichts auch nur annähernd Polarkreismäßiges!
    Von Übel war auch meine Luftmatratze. Aufgepustet hatte ich die so prall, wie’s überhaupt nur ging, doch in der Nacht hing ich mit meinen Knochen durch bis auf den kühlen Grund.
    Eine Wunscherfüllung wär’s gewesen, wenn ich vom Nächtigen in meinem Federbett geträumt hätte, aber ich träumte irgendeine Mistgeschichte zusammen, in der ausgerechnet der Albers und der Holzmüller tragende Rollen spielten.
    »Buon giorno«, sagte Michael. »Welche Nachricht willst du zuerst hören – die schlechte oder die schlechte?«
    »Äh – weiß ich nicht. Such’s dir aus.«
    »Okay. Beginnen wir mit der schlechten: Wir benötigen einen Kammerjäger. Ein uns feindlich gesonnener Ameisenstamm hat heute nacht eine Invasion gestartet, mit dem Ziel, in diesem Zelt die Macht zu übernehmen und unsere Lebensmittelvorräte zu requierieren.«
    »Welche Lebensmittelvorräte?«
    »Unsere eiserne Reserve. Meine Hustenbonbons. Einen scheinen sie bereits halb aufgelutscht zu haben. Und nun zu der anderen schlechten Nachricht: Der Reißverschluß von dem Zelt ist hinüber. Der geht nicht mehr zu.«
    Mit tropfender Nase, krummgelegenem Buckel, steifer Hüfte und kalten Füßen schälte ich mich aus dem Schlafsack.
    Auch Angela und Udo sahen hungrig und zerzaust aus. Wir wollten mit dem Bus in die Stadt fahren, frühstücken, aber wo gab’s Fahrkarten? Und was kosteten die? Das einzige, was wir wußten, war, daß fünftausend Lire Strafe aufs Schwarzfahren standen.
    Dann stritten wir uns noch darüber, in welche Richtung wir fahren müßten. Sorum oder sorum? Angela, Udo und Michael glaubten, daß wir sorum fahren müßten. Ich war anderer Meinung, ließ mich aber überstimmen. »Ihr werdet schon noch sehen, was dabei rauskommt«, sagte ich.
    Wir fuhren schwarz.

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