Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
noch lange nicht alles gesehen«, sagte Angela, und Udo und Michael schlugen sich auf ihre Seite.
Maximal zweitausend Lire wollte ich in eine Flasche Wein investieren. Aber mach das mal, wenn du als Deutscher in Italien eine Weinhandlung betrittst und dort auf blankes Unverständnis triffst.
»Vino por due mille«, sagte ich.
Der Verkäufer überschüttete mich mit einem Schwall italienischer Fragen.
Ich beharrte auf meiner Bestellung: »Vino por due mille!«
Wieso kapierte der das nicht? Wo waren wir denn hier?
Nach der vierten oder fünften Wiederholung hellte das Gesicht des Verkäufers sich auf, und er rief: »Ah – vino por dormire! Wolle habbe Vino fier ze slafe?«
In der Hoffnung, mich unmißverständlich auszudrücken, blätterte ich dem Typen schließlich zweitausend Lire auf den Tresen und sagte: »Vino!«
Daraufhin erhielt ich endlich eine Buddel Rotwein zum gewünschten Preis, und mit der begab ich zum Campingplatz. Wo Angela, Udo und Michael herumschwirrten, wußte Gott allein. Ich zog mich mit der Flasche ins Zelt zurück, entkorkte sie, kroch in den Schlafsack und gab mir die Kante.
Am Morgen war das Kaffeepulver in der Dose hartgefroren. Ein einziger Schwachsinn, diese Italienreise. Das sahen jetzt auch die anderen ein. Wir beschlossen, einen Tag früher als geplant zurückzufahren, und ich unternahm einen Versuch, Mama und Papa von diesem Beschluß zu unterrichten, aber der Apparat in der Telefonzelle fraß die Münzen schneller, als ich sie nachwerfen konnte, und vom anderen Ende war nur ein undefinierbares Gekrächze zu vernehmen.
In dem überfüllten Zug, den wir in Florenz abends bestiegen hatten, entdeckten Michael und ich ganz hinten ein leeres Abteil, und wir schleppten das gesamte Gepäck dorthin. Dieser Waggon wurde jedoch bereits beim ersten Zwischenstopp abgekoppelt, und wir mußten schleunigst wieder umziehen, mit Sack und Pack, und weil wir keine freien Plätze mehr fanden, blieb uns nur der windige und enge Gang als Lagerstätte für die Nacht.
Der Zug durchquerte eine eisige, verschneite Alpenlandschaft. In einem der Türdurchgänge brieten sich zwei Hippies Spiegeleier in einem Pfännchen über ’nem Spirituskocher und handelten sich dafür ein Mordsdonnerwetter vom Schaffner ein.
Der kontrollierte anschließend unsere Fahrkarten und hatte an Michael seiner was auszusetzen: Die gelte nur in der Schweiz, aber nicht in Österreich, irgendwie sowas, und beim nächsten Halt müsse Michael den Zug verlassen.
Mir schwoll der Kamm, als ich das hörte. Was waren denn das für Sitten? Passagiere nachts irgendwo in den Alpen aussetzen? »Wenn der dich vor die Tür setzt, dann komm ich mit«, sagte ich zu Michael, der seinerseits damit beschäftigt war, mit tausend Zungen auf den Schaffner einzureden, und nach einer monumentalen Verhandlungsrunde berappte Michael siebzehn Mark Aufschlag und durfte weiterfahren.
Es war schier unmöglich, auf dem Gang zu pennen. Ich ging noch einmal auf Abteilsuche und wurde sechs Waggons weiter vorne fündig. Abermaliges Gepäckgeschleppe, leidergottes, aber dann konnten wir uns in einem Sechserabteil breitmachen und eindösen, mit hochgelegten Mauken.
Stunden später schreckte uns ein Schaffner aus dem Schlaf. An Koblenz seien wir schon vorbei, erklärte der auf Anfrage, und Michael begann in großer Hast mit dem Einsammeln seiner Klamotten.
Der nächste Halt war Remagen. Da stieg Michael aus. Er wollte dann seine Eltern anrufen und sich abholen lassen.
Was die von ihm wohl zu hören kriegten von unserem phantastischen Urlaub in Florenz.
Wir überholten einen Güterzug. Wenn Wiebke dabeigewesen wäre, hätte ich ihr beim Waggonzählen gut dazwischenquatschen können, um sie aus dem Tritt zu bringen: »Dreiundsechzig, sieben, neun, achtundvierzig, elf, zwölf, drei, neunundneunzig ...«
Schwerer als alles andere auf dieser Reise fiel mir die Umsteigerei. Angela und Udo wirkten auch nicht gerade topfit. Die sahen wie zwei Zombies aus, und in der Telefonzelle in Meppen ließ ich ihnen den Vortritt.
Bei uns nahm keiner ab. Na denn. Ich würde auch zu Fuß nachhause finden.
Der Abschied von Angela und Udo gestaltete sich frostig, aber das wir mir jetzt auch egal.
»Häch?« sagte Mama, als ich in der Haustür stand. »Mit dir haben wir noch gar nicht gerechnet!«
In der Küche schmierte ich mir ein Brot. Fingerdick mit Butter und obendrauf drei Lagen Schinken, und nachdem ich das vertilgt und mit einem halben Liter Milch nachgespült hatte,
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