Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Bereits nach wenigen Stationen stellte sich heraus, daß ich mich geirrt hatte: Wir saßen – besser gesagt: standen – im richtigen Bus. Wenn an einer Haltestelle die Tür aufging, flog man fast vor lauter Platznot fast raus, und es stiegen immer noch mehr Leute ein.
»Das hätte ich auch in Koblenz haben können«, sagte Michael.
Backwaren futtern, aus der hohlen Hand, und dann überteuerten Kaffee saufen, im Auspuffgestank, den man als Dreingabe erhielt, wenn man sich auf dem Gestühl vor einem Straßencafé niedergelassen hatte. La dolce vita.
Zur Stabilisierung der Zeltwände brauchten wir weitere Wäscheklammern und gingen deshalb in verschiedene Geschäfte rein. Wäscheklammer auf italienisch: morsetta. So stand’s in einem Taschenwörterbuch, das Angela dabeihatte, aber keiner der italienischen Geschäftsleute, die wir danach fragten, konnte mit dem Begriff etwas anfangen. Morsetta? Kannitverstan!
Angela wollte unbedingt den Dom besichtigen. Udo, Michael und ich gingen mit hin. Ich ging aber nicht mit hinein. Was sollte das bringen? Auf Kruzifixe und Beichtstühle war ich nicht scharf.
Neben dem Dom stand ein hoher Glockenturm, genannt Campanile, ein Bauwerk aus dem vierzehnten Jahrhundert. Wir latschten über die Wendeltreppe bis ganz nach oben und warfen einen Blick auf die Stadt.
»Hier zieht’s«, sagte Michael, und danach gingen wir Pizza essen.
Einkaufen mußten wir noch. In einem Supermarkt, den wir nach einer langen Wanderung aufgetrieben hatten, erwarben wir zahlreiche Tütensuppengerichte. Mit denen würden wir bequem die Osterfeiertage überstehen, dachte ich, und auf dem Campingplatz lief mir das Wasser bereits im Munde zusammen, als Michael seinen Spirituskocher installierte. Die Außentemperatur war schon wieder rapide am Sinken, und ich freute mich auf eine heiße Hühnersuppe, doch daraus wurde nichts, denn der Spirituskocher mischte nicht mit.
»Nichts zu machen«, sagte Michael. »Der is’ im Arsch.«
»Was soll das heißen?« fragte ich.
»Das heißt, der Kocher is’ im Arsch.«
»Und was sollen wir jetzt fressen?«
»Keine Ahnung. Hustenbonbons?«
In dieser Nacht erwachte ich einmal mit knurrendem Magen und verfrorenem Gesicht. Es zog wie Hechtsuppe durch den offenen Zeltschlitz, und ich ermannte mich, aus meinem Strunz meinen Bademantel herauszuwühlen, den ich aus Doofheit mitgeschleppt hatte, und ihn außen so über die eine Zeltstange zu hängen, daß er den Eiswind davon abhielt, in das Zelt zu hineinzufauchen.
Morgens war der Bademantel durchgeweicht vom Regen, und zwischen den Zelten hätte man ’ne Schlammschlacht veranstalten können. Ein neuer Tag im schönen Italien. Lebensfreude! Kunstgenüsse! Blauer Azur!
Palazzo Vecchio hieß der Klotz, den Angela und Udo diesmal erklimmen wollten. Von oben sah Florenz viel gediegener aus als von unten, aus der Fußgängerperspektive, aber ich hatte keine Lust, meine Tage damit zu verbringen, auf Gebäude zu kraxeln, um mir andere Gebäude anzusehen, auf die ich schon gekraxelt war oder noch kraxeln könnte.
Und dann der ewige Imbißbudenfraß. Viel lieber hätte ich mal wieder Bratkartoffeln mit Spiegelei gefuttert. Oder Nudeln mit Gulaschsoße. Oder ein saftiges Kotelett mit Kartoffelbrei und Erbsen. Oder einfach nur 'ne stinknormale Linsensuppe. Dafür hätte ich den kompletten Palazzo Vecchio hingegeben und noch halb Florenz dazu, mitsamt seinem irren Autoverkehr und den allgegenwärtigen Rudeln halbwüchsiger Mofarocker, die sich da an jeder Ecke produzierten.
Ich kaufte mir eine Zeitung, um mal nachzusehen, welche Filme so liefen. Angela fand das blöd. »Ich fahr doch nicht nach Florenz, um ins Kino zu gehen!« Diese Bemerkung war ihrerseits aus mindestens drei Gründen blöd: Erstens war ich selbst nicht nach Florenz gefahren, um ins Kino zu gehen, zweitens konnte ich in Florenz ja trotzdem mal ins Kino gehen, und drittens gab es Kinofilme, die kulturell hoch über einem Großteil des architektonischen Gerümpels in Florenz rangierten.
In einem entlegenen Stadtteil wurde ein Film von Woody Allen gezeigt, »Play It Again, Sam«, und ich nahm mir vor, da am Karfreitag reinzugehen.
Für die Osterfeiertage mußten wir uns mit Fressalien ausrüsten, aber was sollte man kaufen, wenn man nichts kochen oder braten konnte?
Bananen natürlich. Und Schokolade und Kekse.
Ich kaufte auch ein halbes Dutzend Ansichtskarten ein und unterzog mich der lästigen Pflicht, den Eltern, den Großeltern und den Paten jeweils
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