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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Überwiegend ganz unpraktische Stellungen, eine immer noch alberner und unmöglicher als die andere.
    Brechts erstes Stück hieß »Baal« und handelte von einem versoffenen Lyriker und Weiberhelden, der die bürgerliche Gesellschaft verachtet und jämmerlich verreckt.
    Und der Himmel blieb in Lust und Kummer da
    Auch wenn Baal schlief, selig war und ihn nicht sah:
    Nachts er violett und trunken Baal
    Baal früh fromm, er aprikosenfahl.
    In Mamas Schauspielführer stand dazu:
    Baal ist über Parodie und Autobiographie hinausgewachsen, eine mystische Figur wie der assyrische Naturgott: ein sexueller Großunternehmer und panerotischer Trunkenbold, ein unflätiger, weltberauschter Flegel; ein Mörder, weil er nichts anderes tut als das, wozu es ihn treibt; die Sterne über sich, die Kloake unter sich, und kein moralisches Gesetz in sich.
    Das hatte was.
    In der Stadt kaufte ich mir Fausthandschuhe, damit mir beim Zeitungsaustragen nicht die Finger abfroren, und ich fuhr noch lange per pedales durch die Walachei, mit Songzeilen im Kopf, bei denen ich abwechselnd an Heike und an Saskia dachte.
    Just take this longing from my tongue
    all the lonely things my hands have done …
    Als ich zurückkam, sagte Wiebke mir, daß Mama abgehauen sei, bis Sonntag. »Die hat mal wieder Krach gehabt mit Papa.«
    Im Kühlschrank standen Pötte mit vorgekochtem Essen.
    Am Samstag werde Renate kommen, aus Bonn, um auszuhelfen.
    »Und wo ist Mama hin?«
    »Nach Hildesheim.«
    An der linken Hand, mit der ich die Zeitungen am Freitagmorgen von dem Stapel auf meinem rechten Unterarm nahm und auf Briefschlitzformat faltete, konnte ich keinen Fausthandschuh gebrauchen, aber vom vielen Falten war die Hand gut durchblutet und wurde nicht kalt.
    Gleich nach ihrer Ankunft sollte Renate Bohnen einkochen. So wollte Papa das, und er kam in unregelmäßigen Abständen zur Kontrolle aus dem Keller in die Küche hoch.
    Renate wiederum wollte parallel zum Einkochen einen Krimi im Fernsehen kucken.
    Das paßte Papa nicht. »Der Thermostat muß im Auge behalten werden! Da kann man sich nicht zwischendurch vor dem Fernseher suhlen! Wenn du hier nicht aufpaßt, dann vergammelt uns die komplette Bohnenernte!«
    Renate sagte, daß der Thermostat durchaus nicht den gesamten Abend über angegafft werden müsse.
    Diese freche Antwort brachte Papa auf die Palme, und im Nu gab’s einen Riesenstreit, der damit endete, daß Renate wutenbrannt ihre Sachen packte und abfuhr, zurück nach Bonn, um zehn Uhr abends.
    »Mit Papa kann’s doch echt kein Schwein mehr aushalten!«
    Das waren ihre Abschiedsworte.
    Die hatte es gut, die konnte sich verdrücken! Aber wohin hätten Wiebke und ich uns verdrücken sollen?
    Nachts schrak ich aus dem Schlaf, von Donnergepolter geweckt. Ein Erdbeben! Nein – da fiel irgendwas die Treppe runter – die Treppe zum Erdgeschoß –
    BOMM BADONG BAMM BONG WHAMM BOMM BANG BOMM !!!
    Und Stille.
    Papa!
    In Sekundenbruchteilen war ich bei ihm. Da lag er, in seinem blauen Schlafanzug, auf dem Kachelfußboden, rücklings, beide Augen zugekniffen.
    »Papa?«
    Ein Ächzen.
    Ich mußte ihm helfen. Ihn irgendwie hochziehen, an den Armen …
    Und wenn er sich das Genick gebrochen hatte? Oder wenn sich gleich eine dicke Blutlache bildete, rings um seinen Hinterkopf?
    Zum Hochziehen war mir Papa aber sowieso zu schwer.
    Er flüsterte was, und ich horchte.
    Kissen! Er wollte ein Kissen haben! Für unterm Kopf! Natürlich! Klar!
    So schnell ich konnte, holte ich ein Sofakissen aus dem Wohnzimmer und schob es Papa unter das vorsichtig, vorsichtig angehobene Haupt.
    Kein Blut. Das war ja schon mal gut.
    Und jetzt?
    Die Kacheln waren kalt. Ich lief nach oben, Papas Bettdecke organisieren. Die breitete ich über ihm aus und stopfte sie an den Seiten unter ihn drunter, so weit wie möglich, und dann setzte ich mich auf ’ne Treppenstufe, Atem schöpfen.
    Die Augen kniff Papa noch immer feste zu. Der Geräuschentfaltung nach zu schließen, mußte er auf der Abwärtsstrecke mehrere Purzelbäume geschlagen haben und mit voller Wucht auf die Kacheln geknallt sein.
    Wiebke hatte offenbar nichts von alledem gehört. Die ratzte weiter.
    Ich mußte mal, und als ich wiederkehrte, war Papa schon auf dem besten Wege zurück in die Falle. Ich trug ihm die Bettdecke hinterher.
    Es verstand sich von selbst, daß ich ihn nicht auf diesen Vorfall ansprach; weder am Morgen noch in der ferneren Zukunft. Mir erschien es allerdings auch fraglich, ob sich Papa daran

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