Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
von rechts hinter dem Rücken her ausgeführt hatte. Aus einer anderen Disco waren wir mit einem Aschenbecher davongezogen, und der war mir beim Laufen aus der Hand gefallen und auf dem Gehweg zerbrochen.
»Ich will nicht werden, wie mein Alter ist«, hatte Hermann gesungen, und nachdem wir unser erstes Biwak wiederentdeckt hatten, waren wir am Waldrand zehnmal nackt um einen Eichenbaum herumgerannt. Einfach so.
Herrlich: betrunken zu taumeln in dämmernden Wald …
Und Hermann hatte gerufen: »Wenn jetzt der Wolfert hier vorbeikäme!«
Heike war mit ihren Eltern weg, zu Verwandten, und Hermann blieb noch für eine Nacht, damit wir abends ins Kino gehen konnten.
Vorher spielten wir in meinem Zimmer Schach. Eine Zigarre aus der CDU -Kneipe hatte ich noch über. Die steckte ich mir an.
» ABC -Waffen einsetzen, das hat man gern«, sagte Hermann, und ich öffnete das Fenster.
Unten im Garten war Papa am Wirtschaften.
Wenn es mir gelungen wäre, Hermanns aufmüpfige Dame auszuschalten, hätte ich leichtes Spiel mit ihm gehabt, doch die entwischte mir immer wieder. Bei ihren Raubzügen erbeutete sie drei Bauern, meine beiden Springer, einen meiner Läufer und meine beiden Türme, während ich gerade mal zwei Bauern und einen Springer aus dem Feld geschlagen hatte, und als nächstes mußte meine eigene Dame dran glauben.
»Gibst du auf?«
Die Antwort auf diese Frage blieb ich Hermann schuldig, denn auf einmal stand Papa in der Tür und blaffte: »Sag mal, rauchst du hier Zigarre?«
Das hätte ich schlecht leugnen können, denn ich hatte sie im Maul.
»Dieses Monstrum stinkt bis in den Garten! Mach das gefälligst aus!«
Und Tür zu. Bramm!
Ein Weilchen herrschte Stille.
Dann sagte Hermann: »Was den Gestank betrifft, muß ich deinem Vater zwar beipflichten, aber bei genauerer Betrachtung wäre auch der Umstand in Rechnung zu stellen, daß du ein erwachsener Mensch bist und dir in deinem Konsumverhalten keine Vorschriften mehr machen lassen mußt.«
»Du meinst, in meinem Zimmer dürfte ich Havannas rauchen?«
»Wenn ich die Rechtslage richtig einschätze, dürftest du hier sogar Nutten empfangen, ohne daß deine Eltern was dagegen unternehmen könnten.«
»Ach? So wie du in Rütenbrock?«
Hermann wiegelte ab. »Da gehen die Uhren immer noch anders als in großen abendländischen Metropolen wie Meppen. Für das Recht, in meinem Zimmer in der Rütenbrocker Ziegeleistraße Orgien zu feiern, müßte ich den Instanzenweg beschreiten. Und ein Prozeß gegen meine Eltern würde das häusliche Klima vergiften.«
»Und bei mir ist es bereits vergiftet genug, oder wie?«
»Naja, solange du hier dein Gift in die Luft bläst …«
Von der Zigarre war aber eh schon nicht mehr viel über.
Ob es am Quarzen lag oder an einem Virus: Ich litt an einem kratzigen Hals und an Heiserkeit, als wir zum Kino marschierten.
»Theo gegen den Rest der Welt« mit Marius Müller-Westernhagen. Dem wurde sein LKW geklaut. Marius alias Theo hetzte ihm durch halb Europa nach, verfolgt von einem speichelnden Kredithai, und erlebte tolle Abenteuer, wobei er es wiederholt mit Frauen zu tun bekam, die sich vor ihm entblätterten.
Mama schickte mich zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Der diagnostizierte einen akuten Rachenkatarrh, und ich sollte Tabletten lutschen, die so hießen, wie sie schmeckten: Tonsilase.
Am Mittwoch rief Hermann an: Die Schülerzeitung sei fertig gedruckt; wir müßten bloß noch die Seiten zusammenlegen.
Bloß noch? Das dauerte Stunden! Zur Verstärkung kamen Astrid Kohler, Axel Reinert und Andreas Pohl dazu, und trotzdem brauchten wir fast bis Mitternacht.
Ein ziemlicher Tinnef stand diesmal drin. Am stumpfsinnigsten war das sogenannte Schul-Abc:
U wie »Ungenügend«. Gleichbedeutend mit »Sechs« (notabene: nicht mit »x«).
Wie witzig! Aber wenn Hermann und ich das als Chefredakteure unterbunden hätten, wären womöglich die Redakteure aus der Mittelstufe abgesprungen, und von denen hatten wir nicht viele.
Sehr gut war eine aus der Titanic abgekupferte Gegenüberstellung von »Carter-Country« und »Reagan-Country«: Bei »Carter-Country« sah man die normale, mit dem Union Jack unterlegte Landkarte der USA , und bei »Reagan-Country« hatte sich der Zipfel des Bundesstaats Florida aufgerichtet wie ein erigierter Penis.
Die beste Seite hatten wir aus Sexualität konkret geklaut, nämlich den Cartoon »Die 11 bekanntesten Stellungen bei der Selbstbefriedigung des Mannes« von Friedrich Karl Waechter.
Weitere Kostenlose Bücher