Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Hermann. »Lack of communication! Du glaubst, du machst den Abwasch, und in Wahrheit machst du ’ne Skulptur kaputt!«
Wir schlugen uns mit U-Bahn, S-Bahn und Bus zu der Autobahnraststätte Hamburg-Stillhorn durch und hofften auf eine gnädige, nach Möglichkeit im Landkreis Emsland ansässige Seele, doch die Autos rauschten allesamt vorbei.
Um die Sache zu beschleunigen, verlegte Hermann sich darauf, die Fahrer an den Zapfsäulen anzuquatschen. Und das klappte! Augenblicklich! Schwupps, schon saßen wir in der Limousine eines Menschen aus Groß Hesepe und kachelten mit einhundertsechzig Sachen auf die heimatlichen Gefilde zu.
Aber Heimatgefilde waren das eigentlich nur für Hermann.
»Denk dran«, sagte er zum Abschied, »am einunddreißigsten Dritten ist Wüstenrot-Tag! Die letzte Chance, ’n Bausparvertrag abzuschließen!«
Resümee: Es hatte sich was zwischen mir und einer attraktiven jungen Dame angebahnt, und Hermann hatte mich mit seinem Schnupfen angesteckt. Das waren die beiden handfesten Ergebnisse der Hamburg-Exkursion, und als sich dazu noch ein bellender Husten gesellte, meldete Mama mich bei einem Allgemeinmediziner an.
Ich kriegte Hustensaft verschrieben. 3 × täglich 1 Meßlöffel.
Flasche kräftig schütteln!
Nymix-amid hieß die Tinktur. Auch kein schöner Name.
Mit seiner Glosse über den Tortenaufsatz hatte sich Tucholsky unbeliebt gemacht.
Vor einiger Zeit habe ich hier das schöne Denkmal am Deutschen Eck, in Koblenz, geschildert; der selige Kaiser Wilhelm der Erste ist dort zu Stein zusammengehauen, und ich hatte mir erlaubt, solches einen gefrorenen Mist zu nennen. Darob große Entrüstung bei den Kleinbürgern des Nationalismus. Es hagelte Proteste, ich spannte keinen Regenschirm auf, und soweit gut …
Wie diese Kleinbürger dann wohl erst ausgerastet waren, als die Amis das Reiterstandbild umgenietet hatten!
Die Vorbereitungen für Texel seien schon recht weit gediehen, sagte Heike. Route, Fähre, Zeltplatz, alles tiptop ausklamüsert. Einen Wagen hätten wir zwar keinen, aber mit dem Gepäck gehe das auch irgendwie anders. »Wir brauchen uns ja nicht zu beladen wie die Packesel …«
Mama fuhr zum Ehemaligentreffen des Grundschuljahrgangs 1936 im Gasthof Birnbaum zu Jever.
Gasthof Birnbaum. Wie das klang! Herzallerliebst. Da wäre ich gern versumpft.
Doch es gab kein Vertun: Die Erkältung hatte sich wieder gelegt, und ich mußte mich bei der unheilvoll dräuenden Podiumsdiskussion bewähren. Über deren Verlauf wurde ich mir bereits klar, bevor sie losging, denn es gab noch eine kurze Vorbesprechung im Kreise der Diskutanten, und das waren a) ein katholischer Geistlicher, b) ein evangelischer Geistlicher, c) eine füllige Mutter (Modell Matrone), d) ein circa fünfzehnjähriges Mädchen und e) moi-même. Für die Moderation hatte man einen Schlipsträger erkoren, der so aussah, wie ich mir einen Prokuristen vorstellte.
He asks you with a grin
If you’re havin’ a good time …
Eine hanebüchene Zusammensetzung. Und es lief, wie ich’s vorhergesehen hatte: Die Schwarzröcke sonderten ihre Episteln über die Verantwortung vor Gott und das christliche Menschenbild ab, die Mami äußerte ihre Besorgnis über Verfallserscheinungen wie Pornographie, Abtreibung, Ehebruch, Nacktbaden, Drogenmißbrauch und käufliche Liebe, und das Mädchen monologisierte über seinen Entschluß, als Jungfrau in die Ehe zu gehen, wofür es ein dickes Lob von der Geistlichkeit einheimste. So spielten sie sich die Bälle zu, das Nesthäkchen, die Popen und die Matriarchin. Kein Pieps darüber, daß Sex was mit Geilheit zu tun hatte; immer nur Ethik und Würde, Entsagung und Selbstdisziplin. Dank dieser Rollenverteilung fiel die Verteidigung der Wollust ausschließlich in meinen Zuständigkeitsbereich. Advocatus diaboli Martin Schlosser! Und das vor Meppens Upper ten, die sich vollzählig in der Aula versammelt hatten!
Aus der ersten Reihe zwinkerte Heike mir zu. Schräg hinter ihr saß mein alter Biopauker Kleinschmidt. Im Foyer hatte ich auch Andreas Pohl und Mona Feddersen herumschwirren gesehen.
Ein gerüttelt Maß der vielfach beklagten Bindungsschwäche oder auch Selbstbezüglichkeit der Jugend sei ja nicht zuletzt durch das schleichende Gift einer Glorifizierung der Sinnlichkeit heraufbeschworen worden, sagte der evangelische Gottesmann. »Da werden, um nur ein Beispiel anzuführen, die leiblich-seelischen Folgen der Masturbation ganz verharmlosend dargestellt, mit zum Teil tragischen
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