Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Abordnung gedrillter Genossen auf und ließ einen forschen Kampfgesang erschallen:
DIE PARTEI, DIE PARTEI, DIE HAT IMMER RECHT !
Ob es denen ernst damit gewesen war? Dann hatten sie einen an der Klatsche gehabt. Es mußte doch jeden Antimilitaristen jucken, bei so einem Tamtam was dazwischenzurufen. Parademarsch, Parademarsch, der Ulbricht hat ’n Loch im Arsch! (Und dafür dann zu zehn Jahren Zuchthaus verknackt werden. Oder nach Sibirien verbannt.)
In der DDR wäre mir auch das Fähnchenschwenken gegen den Strich gegangen. Unten das Volk und oben die Bonzen.
Henrik weihte bei Heike sein neues, in Groningen gekauftes Shillum ein und war danach noch fit genug, um uns in die Stadt zu fahren. Ich hätte das nicht mehr gekonnt.
Wir wollten uns im Germania-Kino einen Zeichentrickfilm über Kaninchen ankucken, »Watership down«, der sehr gut sein sollte, wenn man Henrik glauben durfte, »und auf Shit«, wie Heike mutmaßte, »wahrscheinlich noch um Längen besser«, aber das entzog sich meiner Urteilskraft; ich war schon mehr als froh, daß ich es mit meinem Haschischdrehwurm die Treppe hoch und auf den Klappsitz geschafft hatte.
Breit wie die Axt.
Henrik und Heike beölten sich über die Handlung. Karnickel hier, Karnickel da! Mir wurde flau von der schaumigen Filmmusik und fast noch flauer von den abrupten Schnitten. Ich besah mir lieber meine Fingernägel als die Turbulenzen auf der Leinwand. In meiner Erinnerung blieb nur ein wirrer Mischmasch davon haften.
Kein Zweifel: Das war der idiotischste Kinobesuch aller Zeiten.
Ich dachte erst, ich hätte mich verhört, doch es stimmte: Papa hatte sich – Tusch! – dazu bereitgefunden, mit Mama auf Weltreise zu gehen. Jawohl. Auf eine Weltreise, die um die halbe Erde führen sollte. Bangkok, Singapur, Neuseeland und eventuell Australien.
Und weil Verlobungstag war, schenkte Papa Mama dazu auch noch neun rote Rosen. Ob hier eine neue Epoche anbrach? Westfälischer Frieden? KSZE -Verhandlungen?
Zu Ostern kamen Olaf und Renate angeknattert. Letztere in anderen Umständen. Jungedi. Da hatte sie sich echt was angelacht!
Ich hätte mich ja lieber von ’nem Eid entbinden lassen wollen …
Statt Fernsehen gab’s im Wohnzimmer Beaujolais, wenn auch nicht für Renate. Die mußte sich mit O-Saft behelfen. Als weitere Stargäste pflanzten sich Volker und Vera auf die freien Plätze.
Den Dreh- und Angelpunkt der Konversation bildete natürlich Renate mit ihrer Leibesfrucht, und es ging auch um die bevorstehende Weltreise. Ein Glückwunschtelegramm zur Geburt könne dann ja nötigenfalls auch irgendwo in Thailand aufgegeben werden …
Dann erschien Papa mit einem Igel im Arm.
Ob das denn nun sein müsse, fragte Mama. »Laß doch dieses arme Tierchen wieder frei!«
Papa legte den Igel trotzdem auf dem Couchtisch ab. Bis auf die Stacheln war nicht viel zu sehen von dem eingerollten Vieh. Die Starre löste sich erst nach ’ner guten Minute. Nachdem der Igel die Weinflasche, den Korkenzieher und eine Papierserviette beschnüffelt hatte, nahm Papa ihn auf den Schoß und ließ ihn sich über die Wampe krauchen.
Olaf fand, daß das fotografiert werden müsse, und Mama schickte Wiebke los, die Kamera herbringen.
»Und von wo?«
»Von meinem Arbeitszimmerschreibtisch.«
Fehlanzeige.
»Dann sieh dich doch mal in der Küche um! Oder auf ’m Klavier! Oder auf ’m Flurschrank! Oder in den Eßzimmerregalen!«
Wieder nix. Auch Volker und ich wurden nicht fündig.
»Wenn man nich’ alles selber macht!« rief Mama und stand ächzend auf.
Wie bei Loriot, nur nicht so lustig.
In einer amerikanischen Filmklamotte von 1950 wurden die Taten eines Abenteurers verherrlicht, der in der Zeit der Französischen Revolution Aristokraten vor der Guillotine rettete, den Häschern immer wieder ein Schnippchen schlug und sich selber in holprigen Versen rühmte: »Ist er im Himmel? Oder gar in der Höll’? Verflixter Scarlet Pimpernel!«
Kostümfilme, die waren schon was Schlimmes, und in dem hier hätten auch Hans Moser und Peter Alexander noch mitknödeln können, ohne Schaden anzurichten.
Astrid hatte sich einen Job als Kindermädchen geangelt und schied aus der Besetzungsliste für den Zelturlaub auf Texel aus. Somit blieb Heike als einzige Frau im Konklave übrig. Henrik, Axel und Andreas hatten jedenfalls noch nichts davon verlauten lassen, daß sie Frauen mitzunehmen gedächten. Aber wenn man Heike fragte, wie das denn so für sie wäre, Urlaub mit fünf Mannsbildern, dann
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