Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Insterburg einfiel: Unsere Sau hat geworfen. Jetzt hab ich ’ne Beule am Kopp.
Wie bereits in unserem vorherigen Garten sollte auch im aktuellen ein Brunnen gebohrt werden. Der fette Handwerksmeister, den Papa zu diesem Behufe kommen ließ, trug einen schwarzen Filzhut und hatte zwei verbiestert dreinschauende Lehrlinge im Schlepptau. Beide jünger als ich, halbe Kinder noch, maximal fünfzehn Jahre alt, mit roten Pausbacken und begreiflicherweise so übel drauf, wie man nur sein konnte, wenn man sich einem bullerbäuchigen Vorarbeiter fügen mußte.
Die Brunnenbohrung artete zu einer kolossalen Schlammschlacht aus, und ich bekreuzigte mich in meinem Zimmer und flehte Gottes Gnade herab: Auch wenn ich Atheist bin – bitte mach, daß Papa mich heute nachmittag nicht nach unten ruft …
Mamas neuer Polo schimmerte grünlich. Offiziell hieß die Farbe Inari-Silber. Ein sogenannter Vorführwagen mit knapp dreitausend gefahrenen Kilometern. Kostenpunkt 6446,85 DM . Das Vorgängermodell hatte Mama, wenn meine Informationen zutrafen, bei einem VW -Händler in Zahlung gegeben.
»Aber Frau Schlosser, ich bitte Sie«, sagte Herr Lohmann, als er bei uns auflief, um den neuen Grundwasserbrunnen zu bewundern. »Dann sind Sie jetzt ja gar nicht mehr der weiße Schrecken der B 70!« (So hatte er Mama wegen ihres Fahrstils apostrophiert.) »Für mich sind Sie ab heute der inari-silberne Schrecken der B 70 – einverstanden?«
Im Filmclub im Berufsbildungszentrum wurde der Spielfilm »Die Reifeprüfung« gezeigt. Den kannte ich zwar schon, aber nur aus dem Fernsehen. Es war ein himmelweiter Unterschied zwischen Bildschirm und Leinwand, und außerdem hatte man mehr davon, wenn man sich sowas mit Gleichgesinnten ansah.
Wie lange Dustin Hoffman als Benjamin Braddock brauchte, um zu raffen, daß Mrs. Robinson ihn entjungfern wollte! Und wie stoffelig er sich anfangs an der Rezeption in dem Hotel anstellte, wo sie ihr Liebesnest hatten …
Eine meiner Lieblingsszenen war die, wo er mit der Tochter ausgeht, Elaine, und sich dabei auf Geheiß der Mutter, mit der er ein Verhältnis hat, absichtlich schlecht benimmt, und wie sie dann in ein Vergnügungslokal einkehren und die eine Tänzerin direkt hinter Elaine mit den Brüsten wackelt und die daran befestigten Strippen propellern läßt. Um Elaines Herz zu erobern, muß Benjamin sich dann ungemein anstrengen.
She once was a true love of mine …
»Das war der beste Film, den ich je gesehen habe«, sagte Hoppy, doch man mußte berücksichtigen, daß ihm in seinem jungen Leben als Dauerkiffer nicht sehr viele Vergleichsmöglichkeiten zu Gebote stehen konnten.
Welches waren denn meine eigenen Favoriten? »Der Mann, der Liberty Valance erschoß«, »Der unsichtbare Dritte«, »Arsen und Spitzenhäubchen« … »Manhattan« … »Der General« von Buster Keaton … »Goldrausch« und »Lichter der Großstadt« von Charlie Chaplin …
Die Filme von Laurel & Hardy kriegte man ja leider in der Regel nur in verstümmelten Fassungen vorgesetzt, unterlegt mit der Quäkstimme des Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch oder eingeleitet mit dem Geseiche von Theo Lingen, diesem Urgestein aus UFA -Zeiten.
Die meisten Nackedeis wurden einem in den Filmen des brasilianischen Regisseurs Nelson Pereira dos Santos geboten. Der schoß in dieser Abteilung den Vogel ab.
Über meinen wundersamerweise trotz Bio und Mathe zustande gekommenen Abiturnotendurchschnitt von 2,7 äußerte Mama sich despektierlich, obwohl der ihrige man auch nur 2,3 gewesen war. 1949, sagte sie, seien an die Abiturienten noch viel höhere Anforderungen gestellt worden.
Aber war das ein Grund, mir nicht zu gratulieren?
Der Papst war angeschossen worden, auf dem Petersplatz in Rom. Den Attentäter, einen Türken, hatte die Polizei abgeführt.
Sonst noch irgendwas?
Die Franzosen reisten wieder ab, der renitente Karl-Heinz Hansen hatte der Bundesregierung verbrieft, daß sie militärisch »eine Art Geheimdiplomatie gegen das eigene Volk« betreibe, und mein Einberufungsbescheid war eingetroffen.
Der Wehrpflichtige Martin Schlosser, PK : 280462-S-21018, wird zum 01. 10. 1981 zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen.
PK , das bedeutete vermutlich Personen-Kennziffer. Damit fühlte man sich gleich viel wohler in seiner Haut.
Hermann hatte in Osnabrück eine Stelle als Zivi gefunden, in der Verwaltung der Städtischen Kliniken, ab Juli. Astrid mußte noch ’ne Weile auf den von ihr angestrebten Medizin-Studienplatz warten
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