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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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rein: In der Goldbachstraße sei eine Drei-Zimmer-Wohnung vakant, allerdings »nur für Mädchen« – zentral gelegen, voll möbliert, mit eigenem Waschbecken und auch mit Klo und Badewanne, für 230 Mark warm.
    Die Vermittlungstante machte anschließend Feierabend. Daher hatten wir diese Offerte exklusiv für uns und konnten auf dem Wege noch in Ruhe ein Bier trinken gehen.
    Ein Traum von einer Stadt war Bielefeld ja nicht, sondern eher ein Konglomerat aufgedonnerter und zusammengedrängter Kleinstädte, aber eben voller Studenten und schon deshalb lebendiger als ein Kuhkaff wie Meppen.
    Und außenrum der Teutoburger Wald.
    Die hausdrachenartige Vermieterin der Goldbachstraßenwohnung sagte gleich zu Anfang, daß sie einmal in der Woche kontrolliere, ob auch alles sauber sei. Das war nun weniger in Heikes Sinn. Ergo tippelten wir zu der anderen Butze und wägten dort das Für und Wider ab. Nachteile: Außentoilette, keine Wanne, keine Dusche. Vorteile: Altbau, zwei große Zimmer, Riesenküche, hohe Decken, zwei Etagen Abstand zur Vermieterin, selbige außergewöhnlich burschikos ( »Mit den Zimmern können Sie machen, was Sie wollen, Wände anmalen oder so, das ist Ihre Sache«), nur zwei Kilometer zur Uni (wo man kostenlos warm duschen konnte), zwei Kilometer zum Bahnhof, Hallenbad nahebei (Eintritt eine Mark), und das zweite Zimmer konnte Heike noch untervermieten. Einzugstermin erster Oktober.
    Nach kurzer Bedenkzeit unterzeichnete sie einen provisorischen Mietvertrag, wobei sie sich vom Wellensittich der Vermieterin anranzen lassen mußte: »Du Räuber! Du Schisser! Du Räuber! Du Schisser!«
    So einfach war die Wohnungssuche: anreisen, absteigen, Adressen besorgen, Objekte begehen, Vertrag unterschreiben – fertig. Ein voller Erfolg. Und von Wohnungsnotstand keine Spur.
    Zur Feier des Tages gingen wir chinesisch essen. Besser als in Hamburg: Ente süßsauer, pikantes Gemüse und Berge von Reis. Daß wir deutsches Bier dazu tranken, schien den Chinesen nichts auszumachen. Nachdem wir gezahlt hatten, stellten sie uns eine blitzblaue Flüssigkeit hin, die so schmeckte, wie ich mir vorstellte, daß Petroleum schmecken müßte.
    Nächtens, in der guten alten Löffelchenstellung, bei der mir leider immer der untenliegende Arm einschlief, überlegten wir noch lange, wie und womit Heike ihr Studentenzimmer einrichten könne. Von ihrem Opa väterlicherseits erhoffte sie sich ein Möbelstück, das »Sekretär« hieß und eine Kreuzung aus Schrank und Schreibtisch darstellen sollte, und ihre Matratze wollte Heike auf Paletten legen, die es im Großhandel gab.
    Woher Heike sowas wußte und auf welchen Wegen sie sich in den Großhandel mit Paletten einzuschalten plante, war mir schleierhaft. Was ich ihr anbieten konnte, war ein alter Teppich von unserem Speicher.
    In Bielefeld-Sennestadt wohnten Tante Gertrud und Onkel Edgar mit ihrem Filius Bodo. Bei denen war ich zuletzt 1973 gewesen, und ich dachte mir, es wäre nett, ihnen einen Besuch abzustatten und danach auch noch Oma Schlosser in ihrem Altersheim. Heike wollte sich lieber in der Uni umsehen und in der »City«.
    Es war mit Straßenbahn und Bus ’ne ganze Ecke bis Sennestadt. Das letzte Streckenstück bestand aus einer wahnwitzig breiten Ausfallstraße, die kein Mensch von mehr als sechzig Jahren jemals lebend überquert haben konnte; jedenfalls nicht in einem der Abschnitte ohne Ampelübergang.
    Onkel Edgar steckte in einem metertiefen Lehmloch hinter der Einfahrt und stapelte Steine. Familienintern war er berühmt dafür, daß er schon seit zehn Jahren oder mehr damit zu tun hatte, ein Dachgeschoß auf sein Haus zu pflanzen. An der Regenrinne lehnten Leitern, und der offenen Dachbaustelle sah man auch von unten die viele Arbeit an, die noch erledigt werden mußte. Ein »work in progress« wie der Turmbau zu Babel.
    In der finsteren Küche schnitt Tante Gertrud Streuselkuchenstücke zurecht. Dazu gab es dann im Wohnzimmer Kaffee, mit Blick auf den Bretterschamott im Garten.
    »Wie geht’s, wie steht’s? Wie sind die Eltern zuwege? Und was machen die Geschwister?«
    Bielefeld sei leider »ein Regenloch«, sagte Tante Gertrud – erst neulich hätten sie eine ganze Nacht lang in der Küche Wasser schippen müssen, weil da die Decke undicht sei –, und Onkel Edgar ereiferte sich über die Stadtväter und deren Mißmanagement. Er hatte auch was gegen die Gewerkschaften und ganz besonders gegen den DGB -Chef Heinz-Oskar Vetter: »Wenn ich den schon sehe!«
    Bodo

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