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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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habe gerade Klavierunterricht, sagte Tante Gertrud. »Und spielst du selbst auch manchmal noch Klavier?«
    Zum von-Plettenberg-Stift, wo Oma Schlosser wohnte, waren es zu Fuß nur ein paar Minütchen. Die letzte Durchgangsstation vorm Friedhof: Mich machten schon die Rabatten fertig, die das Gebäude umgaben. Alles picobello gepflegt, als schaler Trost dafür, daß hier keine Freude mehr aufkommen konnte.
    Die gläserne Eingangstür ging von selber auf und machte: »Dwwwwt.«
    Dann die Fahrstuhltür: »Dwwwwt.« (Auf.) »Dwwwwt.« (Zu.)
    Dann der Fahrstuhl: »Brwww … wrrwww … wrrwww … tsching!«
    Oma Schlosser hauste im zweiten Stock. Sie hatte ein Zimmer mit Bett, Regalen, Tischlein, Hocker, Fernseher und Balkon und saß in einem Rollstuhl am Fenster. Wir reichten einander die Hand. Zum Trinken bot Oma mir ein Glas Traubensaft an und zum Sitzen einen Hocker.
    Zu ihrem Zimmer gehörte auch ein WC . Das Bett war ein als normales Bett getarntes Krankenhausbett auf Rollen.
    So wollte ich nicht enden. Wie hätten wohl in so eine Kabause alle meine Bücher passen sollen? Oder wenn ich mal einen draufmachen wollte und schon zu gebrechlich wäre, um ’ne Kiste Bier zu tragen? Die Schwestern sahen nicht so aus, als ob sie sich zum Bierholen hätten losschicken lassen.
    Oma fragte mich, ob ich denn noch Klavier übte, und ich atmete auf, als die Besuchsstunde überstanden war. In der Schlosser-Dynastie mußte man entweder ein Haus gebaut haben oder Etüden üben; andernfalls galt man als Niete oder zumindest als willensschwach.
    Heike zog es zurück nach Meppen. Mich noch nicht. Ich regelte fernmündlich meine weiteren Reisepläne: Dortmund → Koblenz →  Osnabrück.
    Dafür mußte ich abermals nach Sennestadt. Da gab es eine Auffahrt zur A 2, mit massig Platz zum Anhalten. An Autobahnauffahrten durfte man laut Straßenverkehrsordnung nicht hinter dem Autobahnschild stehen, aber davor, und mir lachte das Glück: Ein lustiger Ruhrgebietsmensch las mich auf und setzte mich nicht weit von Onkel Walters und Tante Mechthilds neuer Bleibe in der Hausmannstraße ab.
    Als Postbeamter war Onkel Walter in seiner Geschwisterreihe der einzige Schlosser ohne eigenes Haus, aber auch in der Etagenwohnung hatte jede der drei Töchter ein eigenes Zimmer, und es mußte keine von ihnen im Garten helfen, weil es keinen gab.
    Während die anderen alle ihr Abendbrot aßen, servierte Tante Mechthild mir aufgewärmte Reste vom mittäglichen Hühnerfrikassee mit Reis und Möhren und hernach auf dem Balkon aus lokalpatriotischen Gründen Dortmunder Union Export. (Den gravierenden Unterschied zwischen Pils und Export hatte ich auch nach mehreren Jahren des Biertrinkens noch nicht herausgeschmeckt.)
    Fast wie von selbst kam das Gespräch auf Opa Schlosser. Der habe in seinen letzten Lebensjahren mehrere Herzinfarkte gehabt, sagte Onkel Walter. »Er hat dann vor Schmerzen geschrien, und ich bin jedesmal sofort zu dem Doktor gerannt, der seine Praxis gleich gegenüber vom Pfarrhaus gehabt hat. Nach einer Spritze ging’s ihm meistens auch gleich wieder besser, aber das drohende Ende, das hat doch die ganze Zeit wie ein Damoklesschwert über ihm gehangen. Er hatte da schon keine Kraft mehr, und seine früheren Eigenschaften wie Cholerik, Bullerigkeit und Ungeduld waren einer Altersmilde gewichen. Die konnte mich aber auch nicht mehr für ihn einnehmen …«
    Als Kind und auch als Jugendlicher, sagte Onkel Walter, habe er sich mit seinem Vater nicht unterhalten können. »Früher hatte ich Angst vor seiner Strenge, und später hab ich in ihm nur noch einen aufgeblasenen, kraftlosen Popanz gesehen. Ein Vorbild war mein Vater nie für mich.«
    In Onkel Walters erstem Auto, einem Fiat 500 mit Faltschiebedach, habe Opa Schlosser sich auf dem Beifahrersitz immer übernervös aufgeführt und gerufen: »Nun jag nicht so, Junge! Warum schaltest du nicht in den vierten Gang? Paß auf, die Kurve ist gefährlich! Du mußt dich vorsehen, da kommt wieder so’n Verbrecher!« Selbst bei zwanzig Stundenkilometern.
    Beim Kramen in alten Papieren stieß Onkel Walter auf einen Brief, den ihm Onkel Rudi im Januar 1957 geschrieben hatte, als er auf Freiersfüßen gewandelt war. Damals hatte Onkel Rudi sich das Erscheinen von Opa Schlosser auf der Hochzeitsfeier im jeverländischen Wüppels verbeten:
    Am 19. Januar wollen Hilde und ich uns trauen lassen. »Er« wollte auch herkommen, um den kirchlichen Teil auszuführen. Ich bin aber dagegen, da es unnütz Geld

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