Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Sein Freund habe ein Auto und würde uns gern die zehn oder mehr Kilometer bis zur nächsten Ortschaft fahren. Im Auto hielt Gila dann vorsorglich ihr Taschenmesser in der Hand – doch es lief alles gut. Wir sind schwimmen gegangen und haben festgestellt, daß man da sonst absolut nix machen konnte. Weder draußen schlafen (zu gefährlich) noch was zu essen einkaufen, und der nächste Bus fuhr erst in zwei Tagen.
Dagegen war’s ja selbst in Como noch human gewesen.
Deswegen baten wir die beiden Griechen, uns noch einen Ort weiter zu fahren. Sie haben uns dort eine Unterkunft besorgt, für 200 Drachmen (5,40 DM ) pro Person, mit Meerblick und ganz annehmbaren Leuten. Wir haben in der Unterkunft zu viert gegessen, und nach langem Hin und Her (vor allem von Seiten des deutschsprechenden Griechen) sind sie spätabends abgefahren. Hatten vielleicht doch was vorgehabt mit uns, ich weiß es nicht. Wir haben schon gedacht, daß sie heute abend wiederkämen, doch das haben sie gottseidank nicht getan. Hier im Haus sind auch noch zwei Switzer, die Griechisch können. Die hätten uns sonst unterstützt.
Mit den beiden Schweizern sind wir heute bei sengender Hitze zwei Stunden lang zu einem Bergdorf gewandert. Da sollte ein Fest stattfinden mit Tanzen und Singen und Trinken. Aber das fing erst spätabends an, und so sind wir da noch geblieben und dann zurückgegangen. Der eine Schweizer, Rudi, war allerdings schon zu besoffen und ist später mit dem Auto mitgenommen worden nach unserem Dorf. Ich habe Blasen an den Füßen und war erstmal total fertig. Jetzt geht es wieder. Ich sitze hier auf der Terrasse, trinke Cola und warte aufs Nachtessen.
So, mein lieber Martin, und nun fängt der Liebesbrief an.
Ach, es fällt mir doch sehr schwer, Dir was Liebes zu schreiben, weil ich mich nicht wiederholen möchte und auch nicht einfach schreiben will, daß ich Dich liebhabe. Ich glaube, es geht Dir auch nicht anders, wenn Du weg bist und mir schreibst. Morgen werden wir baden gehen und in zwei oder drei Tagen wieder wegfahren, zu einem Strand, wo hoffentlich auch einige Rucksackleute schlafen.
Rucksackleute?
Also, allerliebster Martin, ich werde jetzt mal aufhören und Dich ganz geil küssen. Tschüß – Heike
Schon besser. Aber diese beiden Schweizer – für deren lautere Absichten hätte ich meine Hand nicht ins Feuer gelegt. Und den Rucksackleuten, zu denen es Heike hinzog, traute ich ebensowenig den festen Willen zu, ihre Flossen bei sich zu behalten, wenn sich Heike angeschickert nachts ans Lagerfeuer setzte und bei Wellenschlag und Mondschein in amouröse Lieder zur Gitarre einfiel.
September, I remember
A love once new has now grown old …
Nächster Tag, nächster Brief.
Gestern abend war ein Fest hier. Das heißt, daß einige Griechen aus dem Dorf und dem Nachbardorf kommen, es wird gegessen, sehr viel getrunken und nach griechischer Musik aus dem Kassettenrecorder des Autos getanzt. Dann haben wir und die zwei Schweizer »Familienanschluß« und essen abends (anders als die anderen Gäste) mit der Familie. Dazu gehören Stephané (Patriarch, ca. 70 Jahre), Sofia (seine Frau, ca. 50), Helené (11) und Katarina (15). Der Stephané ist ein dicker, gemütlicher Mann, der immer unrasiert ist und schmuddelige Hemden anhat. Er sitzt den ganzen Tag auf der Terrasse oder ist im Dorf, und seine Frau und Katarina müssen für ihn und für die Gäste rennen. Neulich sind die Schweizer um neun Uhr aufgestanden, und der Alte hat Katarina aus dem Bett geholt und ihr Kaffee zu kochen befohlen.
Auch sonst ist hier vieles echt übel. Der Alte grabbelt Gila und mich und überhaupt alle weiblichen Gäste an. Zuerst war alles rein väterlich, aber das hat sich gründlich geändert. Und er ist nicht der einzige, der meint, zu so ’nem Scheiß wären Frauen, die alleine reisen, schließlich da; die wollen das doch wohl. Selbst wenn wir »Oschi« sagen (das ist ein entschiedenes Nein) und auch wütend werden, das interessiert die Männer gar nicht. Und das ist auch beim Essen, beim Rauchen und erst recht beim Trinken so. Mit Gastfreundschaft hat das für mich nichts mehr zu tun. Es ist nur aufdringlich und sehr, sehr lästig. Das macht den Urlaub für uns ganz mies.
Und es war ja auch ein merkwürdiger Urlaub, der darin bestand, daß man mit dicken griechischen Provinzlern soff und rauchte.
Der Typ, der uns hierhergefahren hatte, war gestern abend hier, mit noch einem anderen Griechen, und wollte uns (wie Helené übersetzte) zum
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