Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Ich stecke wieder drin! Doch zum Glück bin ich nicht darin gefangen. Leben – nicht Überleben!
Auf der Rückseite befand sich eine Buntstiftzeichnung, die einen Baum, viel Himmel, mehrere Vögel und eine Wiese zeigte. Untendrunter stand:
Unbeschreibliche Liebe …
Die Liebe erweckt in uns neues Leben.
Sie besitzt die Kraft alles zu verändern.
Liebe … die kraftvollste Magie.
Von Gabi für Martin.
Donnerkiesel! Das Bildmotiv war zwar etwas hausbacken und auch sehr ungelenk ausgeführt, mehr wie von einer zeichnerisch nicht sonderlich begabten Zwölfjährigen, aber wenn Gabi mir hier durch die Blume sagen wollte, daß sie in mich verliebt sei oder sich zumindest möglicherweise in mich verlieben könnte, spielte die Frage nach der künstlerischen Qualität dieser Zeichnung ja wohl eine untergeordnete Rolle.
Oder wäre es möglich, daß Gabi das Thema Liebe ohne jeden Hintergedanken aufs Tapet gebracht hatte? Aus mädchenhaftem Überschwang?
Nein. Denn da stand ja ausdrücklich:
Von Gabi für Martin.
Und das mußte doch was zu bedeuten haben. Wenn eine geschlechtsreife Frau sich die Mühe macht, einem geschlechtsreifen Mann in einem Brief von der unbeschreiblichen Liebe vorzuschwärmen, der kraftvollsten Magie, dann konnte das doch nur ein Wink mit dem Zaunpfahl sein.
Ich schloß die Augen. Ob ich für Gabi bestimmt war? Und nicht für Heike? Oder mehr als für Heike? Oder erst für Heike und dann für Gabi?
Liebe … die kraftvollste Magie.
Okay. Heike war in Griechenland. Gabi und ich waren in Deutschland. Jetzt oder nie! Es mußte was geschehen. Wozu warten? Und wozu noch einen weiteren Brief schreiben? Gabi anrufen und zu ihr fahren und die Wahrheit über ihre Gefühle für mich herausfinden, das war das einzige Rezept zur Klärung der offenen Fragen.
Ich suchte Gabis Nummer raus, holte mir das Telefon in mein Zimmer, setzte mich in meinen Sessel und wählte, aber dann legte ich wieder auf. Was sollte ich denn sagen? »Hallo Gabi, Martin hier! Hast du fürs nächste Wochenende schon Pläne? Ich würde dich gern besuchen …«
Wieso eigentlich nicht? Das klang doch ganz ersprießlich.
Also noch einmal wählen … oder lieber erstmal eine rauchen.
Unbeschreibliche Liebe …
Immerhin hatte Gabi mir ja nichts von irgendeinem Freund geschrieben, mit dem sie nach Portugal zu reisen gedenke. Also los, Schlosser! Wer wagt, gewinnt! Ich drückte meine Zigarette aus.
Als Gabi sich am anderen Ende meldete, versagte mir einen Moment lang die Stimme.
»Äh … ja, hier, äh, hier ist Martin … aus Bielefeld … und ich, äh, ich hab heut deinen Brief gekriegt mit dem schönen Bild …«
Schweigen am anderen Ende. Wieso hatte ich das Bild erwähnt? Ich Eierkopp!
»Und – und da hab ich mich gefragt – ich meine, da hab ich mir gesagt, ich würd dich gern besuchen!«
Jetzt war es raus. Aber weshalb erwiderte Gabi nichts?
»Vielleicht schon an diesem Wochenende?« hörte ich mich fragen.
»Ja, das paßt sogar gut«, sagte Gabi.
Mein Herz schlug höher.
»Da feiere ich nämlich meinen Geburtstag, und ich mach ’ne Fete, hier in Neustadt. Wenn du Lust hast, komm doch her!«
Ich hätte Gabi lieber für mich allein gehabt, aber eine Einladung zu ihrer Geburtstagsfeier war ja auch schon was wert.
Gabi sagte, daß sie da alle zelteten, bei einer Scheune, wo es Freibier und Musik gebe, und ich solle mein eigenes Zelt mitbringen. Dann kriegte ich noch den Weg beschrieben.
»Gut, also bis Samstag!« sagte ich.
»Ja, bis Samstag! Tschüssi, du!«
The purest eyes and the bravest hands.
I love the grass whereon she stands.
Tschüssi, du … das hatte zuvor noch nie jemand zu mir gesagt.
In dem deutschen Kinofilm »Taxi zum Klo« war ein Schwuler zu sehen, der einem anderen Schwulen in den Mund pißte.
Ijasses. Da blieb ich doch lieber ein Normalo.
Heike schrieb mir, daß sie die Fahrt von Piräus nach Kreta schlafend verbracht habe.
Morgens um sechs sind wir in Hania angelangt, der Hauptstadt von Kreta. Nachdem wir dann endlich den Bus gefunden hatten, der uns an unseren Wunschort Kastelli brachte, waren wir enttäuscht. Alles ziemlich dreckig und auch der Strand beschissen. Es fuhr kein Bus mehr weiter, Taxi war zu teuer, Trampen geht hier schlecht, und zum Laufen war’s zu weit bei der Bullenhitze.
Gott, was war ich froh, daß ich da nicht mitgemußt hatte!
Also haben wir was gegessen und getrunken und überlegt. Dabei sprach uns ein Grieche an, der elf Jahre in Stuttgart gearbeitet hatte:
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