Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
belebt, es lief Musik, und eine innere Stimme sagte mir, daß der richtige Moment für meinen großen Auftritt gekommen sei.
Als erstes ging ich mir mal ein Bier holen. Man erhielt es in der Scheune in Plastikbechern und konnte sich damit auf einen der rund um das Feuer verteilten Strohballen setzen.
Verdamp lang her, verdamp lang her …
Ich hatte niemanden zum Reden, weil ich ja nur die Gastgeberin kannte, und von der fehlte jede Spur. Also rauchte ich ’ne Zigarette, trank das Bier aus, ging zum Pinkeln hinter die Scheune, holte mir ein neues Bier, setzte mich wieder ans Feuer, drehte mir ’ne Zigarette, rauchte, sah in die Flammen, trank das Bier aus, holte mir das dritte und beschloß gerade, daß es auch mein drittletztes sein solle, als Gabi zu mir trat und sagte: »Na? Amüsierst du dich gut?« Sie freue sich total, daß wir so ein irres Glück mit dem Wetter hätten.
Und schon tauchte sie wieder ab.
Hier wurde ich nicht mehr gebraucht. Ich schob noch, wie geplant, zwei Biere hinterher, ging ein letztes Mal strullen und legte mich dann in mein Zelt.
Einfach einschlafen, das wäre ideal gewesen. Funktionierte aber nicht. Dafür wurde viel zu laut gefeiert, und nach einer guten Stunde kroch ein Pärchen in eins der Nachbarzelte und begann mit einer Diskussion über die Frage, ob es angeraten sei, den Geschlechtsverkehr auszuüben. Der junge Mann äußerte sich dazu rundheraus positiv, und ich hatte den Eindruck, daß er seine Argumente zu bekräftigen versuchte, indem er sich an seiner Gesprächspartnerin körperlich rieb und ihr Küsse gab. Sie schien sich seinem Zugriff aber immer wieder zu entwinden und trug mancherlei Bedenken vor: Ihr gehe das zu schnell, für sie würden Sex und Liebe eine Einheit bilden, und man solle keine Dinge tun, die einem am nächsten Morgen möglicherweise leidtäten …
Alles im Flüsterton. Es war jedoch ein hellhöriger Zeltplatz. Ich verstand jedes einzelne Wort und hörte leider auch sehr gut heraus, daß es sich bei der bedrängten jungen Frau um Gabi handelte. Der leiseste Hilferuf von ihr, und ich wäre hinübergestürzt und hätte meine Fäuste sprechen lassen. Dazu bestand allerdings kein Anlaß. Je weiter die Diskussion gedieh, desto häufiger wurde sie von Kuschelgeraschel unterbrochen, und desto fühlbarer schmolz Gabis Widerstand dahin.
Mit wachsender Deutlichkeit traten auch Lutschlaute hervor. Dann folgte eine Serie von Geräuschen, die sich auf das Abstreifen von Ober- und Unterbekleidung zurückführen ließ, und als auch das geschehen war, kulminierte das Hörspiel in der lückenlosen Darbietung eines ungefähr zwanzigminütigen, mit der völligen Erschöpfung beider Parteien endenden Sexualakts.
Meine Hoffnung, daß die Vorstellung damit zuende sei, trog. Ich bekam noch zu hören, wie Gabi und ihr Galan sich gegenseitig versicherten, daß sie soeben eine unvergleichlich schöne Erfahrung miteinander geteilt hätten.
Was genug war, war genug. Ich spannte alle meine Willenskräfte an, um am Morgen auch ohne Wecker so früh zu erwachen, daß ich mich unbeobachtet davonstehlen konnte. Noch vor dem ersten Hahnenschrei war ich auf den Beinen und demontierte mein Zelt. Pianissimo! Die Stangen und die Heringe legte ich weit voneinander entfernt auf dem Boden ab und verstaute sie erst ganz zum Schluß. Nicht daß ich hier noch jemanden weckte.
Doch ich durfte auch nicht zu bedächtig vorgehen. Es war jederzeit möglich, daß Gabi ihre Nase aus dem Nachbarzelt steckte und mir dumme Fragen stellte …
Oh how long will it take
Till she sees the mistake she has made?
Dann war ich weg.
Noch zwei Wochen Dietmar. Zehn Arbeitstage gleich achtzig Stunden gleich viertausendachthundert Minuten gleich zweihundertachtundachtzigtausend Sekunden geopferter Lebenszeit.
Der Spiegel brachte bislang unveröffentlichte Gedichte von Brecht.
Komm, Mädchen, laß dich stopfen
Das ist für dich gesund.
Die Dutten werden größer
Der Bauch wird kugelrund.
Da mußte man sich ja fast schämen, daß man Brechts Gesammelte Werke besaß.
Das Leidigste im Kino war die abwechslungsarme Reklame für Möbelgeschäfte, Restaurants und Autohäuser. Aber was ertrug man nicht alles für einen guten Film wie »Missing« mit Jack Lemmon als konservativem Amerikaner, der seinen im faschistischen Chile verschollenen Sohn sucht und dabei vom Glauben an die Aufrichtigkeit der eigenen Regierung abfällt. In Jack Lemmons Gesicht sah die Verzweiflung darüber so glaubwürdig aus, daß ich ihn
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