Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
einwenden konnte, daß »sanktionieren« sowohl das eine als auch das andere bedeuten könne, fragte mich die Mutter aus heiterem Himmel, ob meine Eltern eine Zentralheizung hätten, und dann war die Überraschung groß: »Was? Das wissen Sie nicht? Sie machen Witze!«
In der Zeit, wo außer Heike auch Steffi, Ute und Tilman nicht da waren, sollte ich in deren WG die Blumen gießen. In der Küche lag die Bedienungsanleitung:
Lieber Martin,
alle Pflanzen 2 × die Woche gießen,
die in den weißen Töpfen und die Palme 1 × die Woche,
die Pflanze in dem dicken weißen Pott jedoch 2 × die Woche,
bei keiner Pflanze darf Wasser im Untersetzer stehen,
das Glas auf der Fensterbank muß immer voll Wasser sein,
die Farne dürfen stärker gegossen werden,
auch der Efeu auf dem Sekretär,
der Wasserbedarf richtet sich nach der Größe des Topfes,
Wasserflecken auf dem Sekretär sofort abwischen.
Aber Du kleckerst ja nicht, lieber Schatz!
Bis bald – Heike
Allmächtiger, was war das ’n Haufen Gestrüpp! Und dann sollte ich auch noch die Treppe wischen. Dafür gab es einen zweiten Zettel:
Der Eimer und der Feudel sind unterm Waschbecken in der Küche. Der Schrubber steht auf dem Korridor hinterm Vorhang. Boiler auf Mittel-Heiß stellen und sofort den Stecker rausziehen, wenn die rote Lampe angeht. Als Putzmittel nimm man »motiv«. Alles Liebe!
Dafür durfte ich dann aber wohl auch etwas Nachsicht für den Fall erwarten, daß es mit Gabi funkte.
Im Verlag S. Fischer war Kafkas »Schloß« als erster Band einer »Kritischen Ausgabe« seiner Werke erschienen, in einer handschriftengetreueren Fassung als das verfälschte Zeug, das man bislang zu lesen bekommen hatte.
Leider unerschwinglich.
Der nächste Brief stammte von Mama.
Lieber Martin, je länger ich darüber nachdenke, wie Du da in Hannover rumgurkst, um so mulmiger wird mir. Im Gegensatz zu Dir kenne ich nämlich den Stadtverkehr dort, und der ist wirklich nicht von Pappe. Deshalb will ich noch einige Anmerkungen zu der Route machen.
Wenn Du ab Langenhagen/Vahrenwald die Vahrenwalder Straße gefahren bist, Dich gegenüber der Conti links eingeordnet hast, über die Raschplatz-Hochstraße gefahren bist und an die Kreuzung mit der Marienstraße kommst, kannst Du rechts abbiegen und bis zum Aegidientorplatz fahren, halb rum und dann rechts raus parallel zur Hochstraße, Dich an der Ampel ganz links einordnen und auf diesem Wege zum Funkhaus kommen (Parkplätze dort nur auf der gegenüberliegenden Straßenseite, mit Sondererlaubnis ggf. im Hof). Du kannst aber auch an der Kreuzung Marienstraße geradeaus fahren. Das hätte den Vorteil, daß Du den Aegi vermeidest und von der anderen Seite, also von Süden, zum Funkhaus kommst. In diesem Fall fährst Du entsprechend dem Geradeaus-Pfeil in die ziemlich unscheinbare Sallstraße hinein und dann immer geradeaus bis entweder zur Geibelstraße oder bis zum Altenbekener Damm. In beiden Fällen mußt Du rechts ab und fährst dann direkt auf den Maschsee zu. Beide Straßen überqueren die Hildesheimer Straße (etwa auf halber Strecke), die Du an den in der Mitte verlaufenden Straßenbahnschienen erkennst. Am Maschsee angekommen, biegst Du rechts ab und fährst bis zum Funkhaus.
Wie wäre es übrigens, wenn Du mal bei der Arbeiterwohlfahrt in Hannover anriefst und fragtest, ob Dich nicht irgendjemand nach Abfahrt von der Autobahn sozusagen in Empfang nehmen und Dich im Konvoi zum Funkhaus geleiten könnte? Die Zivis dort freuen sich vielleicht sogar über die Abwechslung. Und was ich noch sagen wollte, Du solltest Dir auch noch mal die Karte ansehen und Dich fragen, ob Du nicht schon in Herrenhausen runterfährst, das ist die allererste hannoversche Abfahrt. Beschreiben kann ich Dir die Route allerdings nicht aus dem Kopf, weil die meisten Straßen dort zu unserer Zeit noch nicht existierten und ich selbst mich dort nur zurechtfinde, weil ich mich an den markantesten Gebäuden und an der Hauptrichtung orientiere.
Jetzt denkst Du vielleicht, daß ich mir unnötige Gedanken mache. In Hannover denkst Du das nicht mehr! Nimm Dir auf alle Fälle eine Dreiviertelstunde Zeit, um von der Autobahnabfahrt zum Funkhaus zu kommen, falls Du Dich wegen der vielen Einbahnstraßen verfranzt.
Viel Glück jedenfalls, und hol di stief!
Welche Mutter außer Mama hätte jemals einen solchen Brief verfaßt?
Als ich Herrn Strothe anrief, sagte er mir, daß er seinen Kombi verkauft habe. Damit war der Fahrt nach Hannover gestorben,
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