Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
faustdicke Lüge. Und die dadurch ergaunerten Sitze wollte Genscher nun dem Gegner zuschustern!
Über viele Jahre würden die Wähler dieses Verhalten nicht vergessen, sagte Schmidt, an Genscher gewandt. »Ihre Handlungsweise ist zwar legal, aber sie hat keine innere, keine moralische Rechtfertigung.«
»Bravo!« rief Frau Perlacher. Vom Typ her sei Schmidt ihr zwar immer zu kühl gewesen, aber wenn es drauf ankomme, dann sei er doch Gold wert.
Die weinerlichste Rede hielt Wolfgang Mischnick, der Vorsitzende der FDP -Fraktion. Wie der herumdruckste! Dies sei eine schwere Stunde – für den Staat, für das Parlament, für Mischnicks Partei und für ihn selbst. Er habe mit sich »gerungen«, greinte er. Vonnöten sei jetzt »mehr Eigenverantwortung, mehr Eigenbereitschaft für die Lösung der ganzen Probleme«. Gemeint war damit wohl die Bereitschaft der Armen, den Gürtel noch enger zu schnallen. »Es ist heute notwendig, daß ein Ausstieg aus der Anspruchsmentalität erfolgt …«
Und dabei stellten sicherlich nur verschwindend wenige Rentner, Arbeitslose und Empfänger von Sozialhilfe so hohe Ansprüche ans Wohlleben wie ein freidemokratischer Fraktionsvorsitzender.
Am Nachmittag lag das Abstimmungsergebnis vor: 256 Stimmen für das Mißtrauensvotum, 235 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen. Zwei Stimmen fehlten. Damit war Schmidt gestürzt, und Kohl war Bundeskanzler!
Helmut Kohl, genannt Birne. Oder »Indula«, weil er so gern »In diesem unserem Lande« sagte.
Was jetzt wohl alles kam. Innenminister Friedrich Zimmermann! Nebst all den anderen Finsterlingen: Rainer Barzel, Alfred Dregger, Heiner Geißler, Manfred Wörner, und im Hintergrund zog Strauß die Strippen …
Herr Kruse meinte, wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt. Die sozialliberale Koalition habe das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen, und das einzige, was helfe, sei ein strammer Sparkurs. Dann werde es auch mit der Konjunktur wieder aufwärtsgehen.
Strammer Sparkurs? Ob der auch für den Verteidigungsetat gelten sollte? Und für Multimillionäre? Spitzensteuersätze rauf? Und aus welcher Quelle hatte Herr Kruse seine Detailkenntnisse über den Bundeshaushalt bezogen?
Frau Redings Zivi hatte sich versetzen lassen, und ein neuer war gekommen: Carsten, ein langhaariger, fetter Mops aus Löhne, mit dem sich prima flachsen ließ.
Nicht so glücklich war ich mit einer anderen personellen Veränderung: Eine fischblütige Frau namens Gorske arbeitete jetzt vormittags an der linken Schmalseite meines Schreibtischs und wechselte nach der Mittagspause an den von Frau Perlacher über. Das war das Aus für meine nachmittäglichen Lesestunden. Außerdem hatte Frau Gorske strähniges Haar, verhärmte Züge, einen Dauerhusten und den Tick, beim Sprechen auf den Fußboden zu starren. Und sie futterte in einer Tour Orangen. Nicht daß ich an sich was gegen Orangen gehabt hätte, aber wenn man bei deren Duft sofort an Frau Gorske denken mußte, ging er einem auf den Sack. Zumal sie auch noch Stunden auf das Abknibbeln der weißen Pellenpartikel verwandte. Die flogen dann überall auf dem Schreibtisch rum.
Heike hatte Karten für die 3 Tornados, eine Kabarettistentruppe, die nicht so betulich war wie der Durchschnitt. Die Pointen kamen manchmal schneller, als man lachen konnte: »Eine Geburt ohne heterosexuellen Geschlechtsverkehr wird von den Historikern in der Geschichte nur einmal belegt. In diesem Falle lebte das Kind auch nicht sehr lange und endete an einem schlichten Holzkreuz. Viele Heterosexuelle glauben fest daran, daß sie so geboren sind, weil sie schon als Babys Verlangen nach gewissen Geschlechtsmerkmalen der Mutter hatten, anstatt wie jeder normale Mensch die Milch aus der Tasse zu trinken …«
In einem anderen Programmteil votierten die 3 Tornados dafür, das Auto als Verkehrsmittel abzuschaffen. Begründung: »Stinkt.«
Riesenlacher, Riesenbeifall!
Eine Karte von Julia. Datum unleserlich.
Lieber Martin! Ich bin gerade auf S. Lucia auf Sardinien. Es ist traumhaft schön hier, und man lernt sehr viele lustige Leute kennen. Gestern abend gab es urtümliches Essen, und ich habe mit einem Einheimischen einen sardischen Volkstanz zur Gitarre getanzt! Wir campen hier wild, denn das ist erlaubt. Ich hoffe, Dir geht’s gut. Tschau, Julia!
Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mit ausländischen Urlauberinnen deutsche Volkstänze nachzuhopsen. Und es hätte mich auch keine darum ersucht.
Als ich einmal Bier ins Büro
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