Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Geburtstag um ihre Hand anhalten. »Daniela, es ehrt dich, daß du jetzt zögerst, und ich kann auch verstehen, daß dir der Gedanke, dich so früh schon für immer zu binden, noch etwas fremd erscheint – du kannst eben noch nicht wissen, welche Gefahren in der Welt da draußen lauern, wie viele schmierige, gemeine, doppelzüngige und egoistische Verbrechertypen dir Böses wollen und wie leicht ein junger Mensch wie du in sein Unglück rennt, wenn er sich nicht der Obhut eines erfahrenen Freundes anvertraut. Aber ich, ich weiß das! Als ich in deinem Alter war, da hätte ich so jemanden dringend gebraucht. Doch ich mußte mich ganz alleine durchbeißen. Das hat mich hart gemacht. In meinem tiefsten Inneren aber habe ich mir stets etwas bewahrt, das unversehrt geblieben ist. Ich spreche nicht gern darüber. Worte sind nicht alles, und es gibt Dinge im Leben, die lassen sich nicht so genau definieren. Verstehst du das? Daniela, was ich sagen möchte – willst du meine Frau werden? Und zu mir halten, in guten wie in schlechten Zeiten, bis daß der Tod uns scheide?«
Will you come into my life
with your sorrow and your black carriages …
Aber wenn sie dann über ihre Mathe-Hausaufgaben stöhnte? Und den ganzen Tag Howard Carpendale hören wollte? Und in den »Federkrieg« mit gleichaltrigen Bravo -Lesern trat?
Dann hätte ich ’n echten Generationskonflikt zu lösen gehabt.
Der Respekt, den der eine oder andere Jugendliche vor mir vielleicht noch empfunden hatte, schwand dahin, als ich am Abend das Klo nicht mehr verlassen konnte, weil innen die Klinke abgegangen war. Auf mein Rufen reagierte niemand, und ich mußte fast zwanzig Minuten warten, bis jemand in den Toilettenraum kam. Selbstverständlich einer von den Jugendlichen. Statt mich zu befreien, was ihm ein Leichtes gewesen wäre, lief er lachend raus und holte alle seine Kumpels her, damit auch die sich vor Lachen bepissen konnten.
Irgendwie war es dann trotzdem bedrückend, nach vier Tagen wieder in den Reisebus zu steigen. Ich drehte mich auf meinem Platz noch einmal um und sah durch die fleckige Heckscheibe, wie das Idyll des Reiterhofs mitsamt Daniela und den Pferdekoppeln und dem Goldstaub auf den Baumkronen in der Vergangenheit versank.
Ein Brief für mich aus Amerika. Von Julia. Warum? Und wie sollte man den öffnen, ohne ihn total zu zerfetzen? Der Umschlag war einbruchssicher zugeklebt. An den Inhalt gelangte ich erst mit einer von Edith geliehenen Handarbeitsschere.
Ja, jetzt bin ich bereits einige Zeit in New Jersey. Alles ist anders, mit ganz anderen Dimensionen. Mit der Familie verstehe ich mich prima, und das Baby ist einfach zum Knuddeln. Heute war ich in einem supergroßen, 24 Stunden geöffneten Supermarkt, wo man alles kaufen kann und wo sogar eine Apotheke mit drin ist. (Man kommt immer ohne Geld wieder raus). Die verrücktesten Menschen laufen da rum und grüßen einen, obwohl man sie gar nicht kennt.
Aber wen kannte man schon?
New York ist imposant, aber nicht schön. Ein Wolkenkratzermeer, große Straßen mit riesigen Blechkarren, die sich durch den Verkehr kämpfen … Es ist die internationalste, reichste und ärmste Stadt der Welt, wo man sich auf dem Broadway wie in einem Film vorkommt. (Die Rassendiskriminierung ist sehr schlimm.) Alleine darf man niemals durch die Straßen laufen. Ich habe es einmal gemacht, und ich dachte, ich wäre in einem Krimi gelandet (war noch so blöd mich zu verlaufen). Du merkst, es ist alles noch unheimlich spannend, aber bald wird das wohl Alltag sein. Ich bekomme hier viel zu tun, denn die Küche und die Kinder sind mir überlassen. Puh! Ich denke oft an zu Hause und lenke mich davon mit meinen Plänen ab (College, Führerschein).
Bei mir ist es jetzt ein Uhr nachts. Du stehst vielleicht gerade auf (Guten Morgen!), mit einem tollen Gefühl im Bauch, daß es ein toller Tag wird.
Gute Nacht und einen Gruß von Julia!
Wie die sich das so vorstellte. Wer in Bielefeld aufstand, der hatte per definitionem kein tolles Gefühl im Bauch. Das eine schloß das andere aus.
Heike berichtete mir, daß der Freund ihrer Mitbewohnerin Ute kürzlich über meine Fimo-Schildkröte gestolpert sei. »Und da hat er mich gefragt, ob ich die aus ’ner Behindertenwerkstatt hätte.«
Ich war eben ein verkanntes Genie.
Mama hatte Oma Jever in Wiesbaden eingesammelt und machte mit ihr in Bielefeld Station. Sie hatten beide ’ne Bronchitis, was das Vergnügen etwas trübte. Oma, die nicht ahnte, daß ich meine
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