Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
Vom Netzwerk:
Sendersuchen im Autoradio sofort weiterkurbelten, wenn sie klassische Töne hörten.
    Zu Hermanns Studentenwohnheim ging es in Göttingen über die vielbefahrene »Geismar Landstraße« kilometerweit bergauf und links zuletzt noch einen schroffen Steilhang hoch, wie ihn wohl nur Bergziegen und Alpinisten lieben konnten.
    Mein nächster Antrittsbesuch. Bei einem äußeren Vergleich des Wohnheims mit dem Schloß Bellevue hätte man allerdings mehr als zehn Unterschiede entdeckt, und weil das Flurlicht nicht funktionierte, mußte ich die Koordinaten von Hermanns Zimmer im Dunkeln suchen. Das Zimmer selbst bildete eine dreidimensionale Antithese zu der Binsenweisheit, daß Raum auch in der kleinsten Hütte sei. Ein »Palast«, wie Hermann behauptete, war es jedenfalls mitnichten.
    Mir zu Ehren hatte er am Vormittag in einem Geschäft an der Geismar Landstraße eine Kiste Bier gekauft und sie allein heraufgeschleppt – eine vertrauensbildende Maßnahme, der ich meine Anerkennung nicht versagte. Als Beilage dienten uns Pumpernickelscheiben mit kaltem Braten aus Rütenbrock. Warmes Essen konnte Hermann mangels Kochgelegenheit nicht produzieren.
    Dann zeigte er mir die Stadt: Marktplatz, Gänselieselbrunnen, Rathaus, Fußgängerzone und weiter hinten ein Gewirr aus Seminargebäuden. Der eine Turm da, sagte Hermann, sehe bei Regenwetter so richtig schön scheiße aus. »Dreckig, grau und niederziehend. Was denken sich die Architekten bloß dabei?«
    Von den Neuwahlen, die im März stattfinden sollten, versprach sich Hermann den Zusammenbruch der FDP . »Die muß annihiliert werden, diese Pendlerpartei!« Bis auf wenige löbliche Ausnahmen werde die FDP von Konjunkturrittern beherrscht. »Sonst könnt’s doch gar nicht sein, daß die mit fliegenden Fahnen von Schmidt und Wehner zu Kohl und Strauß und Zimmermann überlaufen! Apropos, was ist eigentlich aus unserem alten Freund Hans-Günther Hoppe geworden?«
    Hoppe? Das war der FDP -Mann, dem alle Parlamentskorrespondenten eine »sonore« Stimme nachsagten, was ein anderes Wort für »einschläfernd« war.
    »Hans-Günther Hoppe ist selbstredend immer noch der stellvertretende Vorsitzende der FDP -Fraktion im Bundestag.«
    »Und nickt alles ab, was ihm Genscher und Lambsdorff diktieren.«
    »So sieht’s aus.«
    »Immer vorausgesetzt, daß das Diktat auch den Wünschen der Deutschen Bank entspricht.«
    »Worauf du einen lassen kannst.«
    »Wenn die Hochfinanz pfeift, muß Hoppe kuschen.«
    »Egg freelight.«
    »Was?«
    »Das war Otto-Waalkes-Englisch.«
    »Und was soll das heißen?«
    »Ei freilich.«
    Er habe schon bessere Witze gehört, sagte Hermann, und da erzählte ich ihm einen, den ich von Heike kannte. Zuerst mußte man einen Ostfriesen mit starkem Unterbiß imitieren: »Mi löpt dat Water immer inne Snute …« Und dann einen mit Überbiß: »Daf kamm mi nich paffiern!«
    Nachdem wir Astrid einen geistsprühenden Kartengruß geschickt hatten, zogen wir uns zur vorläufig letzten Runde unserer Verhandlungen in Hermanns Privatquartier zurück und heckten neue Reisepläne aus. Warum nicht auch mal nach Marokko trampen?
    Da koste der Shit nur ’n Pappenstiel, sagte Hermann. »Aber andererseits hat man auch schon gehört, daß europäische Kiffer in marokkanischen Knästen verschwunden sind. Und soweit ich weiß, hat der Resozialisierungsgedanke noch keinen Einzug in das marokkanische Rechtssystem gehalten. Wenn du Pech hast, lassen die dich da verschimmeln …«
    Die von Hermann nach dem Aufstehen in Betrieb genommene Kaffeemaschine fauchte wie ’ne Dampflokomotive. Vermutlich ein Restposten aus der Aussteuer seiner Urgroßmutter.
    »Und wie mundet Ihnen der Kaffee, Frau Sommer?«
    »Exzellent, Frau Jacobs! Mes compliments au chef!«
    Duschen konnte man sich in dem Wohnheim nur in einem finsteren Gemeinschaftsbrausebad. Das tat ich mir nicht an. Lieber wollte ich die Körperhygiene auf das Zähneputzen und das Fingernägelschneiden begrenzen. Hermann hatte aber leider keine Nagelschere, sondern nur so einen ollen Metallknipser, der nicht breit genug für meine Nägel war. Mit dieser Fehlkonstruktion tat das Nagelabknipsen richtig weh.
    »Beleidige hier nicht meine Habseligkeiten!« rief Hermann. »Und nimm mich mal endlich aus dem Verteiler dieser blödsinnigen Briefe an junge Eltern raus! Sonst passiert was!«
    Große Klasse war die Autobahnauffahrt Göttingen-Grone – breiter Haltestreifen, viel Verkehr und wenig Konkurrenz. Etwas schwieriger gestaltete sich der

Weitere Kostenlose Bücher