Alle Vögel fliegen hoch
der Rest versickerte irgendwo. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich jemand so hasst, dass er mir Flipper wegnehmen würde. Ich weiß allerdings, dass mich viele um Flipper beneiden. So etwas höre ich oft: Ach, den täte ich sofort mitnehmen. Aber so wie du das meinst? Nein. Nein, da fällt mir nichts ein. Sicher, es gibt manchmal komische Schülerinnen, die mich nicht ausstehen können oder auch Konkurrenz mit anderen Trainerinnen, die ist enorm in meinem Job, und dann habe ich mal einen Privatkunden gehabt, für den ich jetzt ein rotes Tuch bin.«
»Du? Das kann ich mir gar nicht vorstellen!« Felix schmunzelte. Auch das ignorierte ich.
»Ich habe ihm einfach die Wahrheit gesagt: dass er fett ist. Ich wollte ihn anspornen. Klappte leider nicht.«
»Hundehasser?«, fragte Felix erleichtert. Wir waren wieder auf neutralem Boden.
»Ich räume alle Häufchen weg. Ich habe immer Plastiktüten einstecken. Wie du.«
»Und du bist sicher, dass Flipper von Fremden kein Futter annimmt?«
»Ich bin sicher, dass er in meiner Gegenwart nichts annimmt. «
Felix nickte nachdenklich. »Einen so großen Hund zu kidnappen – das bleibt nicht unbemerkt. Er muss freiwillig mitgegangen sein – oder sie haben ihn betäubt. Wir müssen uns bei einem Veterinär erkundigen, welche Möglichkeiten es diesbezüglich gibt.«
»Und was mach ich jetzt bis morgen?«
»Schlafen.«
»Und morgen?«
»Daheim bleiben!«
»Und auf Instruktionen warten?«
»Genau.«
»Ruft er mich an? In Flippers Kapsel sind meine Telefonnummern. «
»Vielleicht kriegst du noch mal Post.«
»Und was mache ich, wenn?«
»Sofort bei uns anrufen«, sagte er. Uns sagte er. Nicht: bei mir. »Jetzt kümmern wir uns darum. Du informierst uns bei jedem noch so geringen Anlass. Auch Kleinigkeiten können wichtig sein. Vielleicht kapierst du das jetzt endlich mal, wo du selbst betroffen bist.«
Was hätte ich darauf sagen sollen? Die Wahrheit – dass ich manches nicht gleich weitergegeben hatte, weil ich ihn
privat anrufen wollte? Aber jetzt war ja geklärt, dass für mein Privatleben der Kommissar nicht zuständig war, also brauchte ich ihn auch nicht privat anzurufen. Unser Verhältnis war rein dienstlich. Franza Fischer hatte kapiert.
»Ich will Flipper heil zurückhaben, und wenn ihn deine Aktionen gefährden, lege ich keinen Wert auf eure Unterstützung. Bei Entführungsfällen heißt es doch immer: keine Polizei!«
»Glaubst du, es wäre möglich, dass du mir vertraust? So viel?«, fragte Felix und zeigte einen Zentimeter an zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Das Schreckliche für mich ist«, wich ich aus, »dass ich nicht weiß, was er will. Ich würde alles tun. Ich würde ihm alles geben. Nur meinen Flipper will ich zurück.«
»Es scheint sich um etwas Kleines zu handeln, wenn man bedenkt, wie das Haus von Klaus Hase durchsucht wurde. Das hast du ja selbst gesehen.«
Ich nickte.
Felix kniff die Augen zusammen. »Moment!«, rief er. »Der Laptop! Wir vermissen nach wie vor den Laptop!«
»Der hätte in keinen ausgestopften Vogel gepasst.«
»Schade«, sagte Felix.
»Vielleicht ist der Täter kein Hundehasser, sondern ein Vogelhasser?«, dachte ich laut. »So wie es in dem Haus aussah. All die aufgeschlitzten, zerfetzten Vögel.«
»Jemand hat gezielt etwas gesucht, was er jetzt bei dir vermutet. Es muss etwas Kleines sein. Eine CD?«, überlegte Felix und verwarf es gleich wieder. »Zu groß. Eher ein USB-Stick.«
»Du meinst … Daten?«, fragte ich. Klar! Das war es! Es hatte also doch etwas mit dem Patentamt zu tun. Auf keinen
Fall durfte Felix wissen, dass ich davon wusste. »Wer hasst schon Vögel?«, fragte ich leichthin.
»Ich!«, rief Felix. »Die Tauben! Dieses Gurren macht mich wahnsinnig, wenn ich nach einer Nachtschicht tagsüber schlafen will.«
»Früher habe ich auf sie geschossen«, brüstete ich mich.
»Mit der Steinschleuder?«
»Mit U-Hakerln.«
»Franza, jetzt hast du fast gelächelt.«
Er strich mir über die Wange und ging, und ich heulte bis zum Morgengrauen.
22
Am Mittwochmorgen liefen ein Mann und eine Frau einige Male an meinen Fenstern vorbei. Sie sahen verdächtig unverdächtig aus. Beide in Jeans, beide Mitte dreißig und mit Gesichtern, wie sie im ZDF vor den Neunzehnuhrnachrichten beispielsweise für Tiefkühlkost werben. Sie klingelten bei meinen Nachbarn. Und mein Telefon klingelte.
»Guten Morgen, Frau Fischer«, sagte Felix. »Wie geht es dir?«
»Geht so.«
»Demnächst solltest du dein
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