Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
Vom Netzwerk:
immer auf Felix hören. Immer.
    Konnte die Polizei mein Handy orten? War es noch eingeschaltet? Reichte der Akku? Hatte er das Handy? Bestimmt hatte er es mir weggenommen. Ich konnte mich an nichts erinnern. Nur an diesen grellen Blitz. Wo war ich? Wie hatte er mich hierhergebracht? Konnte man ein Handy orten, wenn es sich im Funkloch befand und ausgeschaltet war? Aber wieso sollten sie das tun? Franza Fischer hielt sich mal wieder nicht an die Regeln. Das war nichts Neues, das war überhaupt kein Grund zur Besorgnis. Ich musste pinkeln! Und wenn das alles gar nicht wahr war? Wenn ich träumte? Den längsten Traum meines Lebens, der vor zwei Wochen begonnen hatte? Wenn dies das Ende war, und gleich würde ich aufwachen. Ich glitt in die Watte und das Gurren geleitete mich in den Nebel.
     
    Die Schritte kamen zurück … und etwas anderes … Nein, das konnte nicht sein, das wünschte ich mir bloß … Eine Tür wurde aufgestoßen …, sang knarzend ein Lied und plötzlich etwas Warmes an meinem Gesicht, während die Schritte sich entfernten und die Tür erneut knarzte.
    »Flipper«, versuchte ich zu rufen, »Flipper«, und »hm-hm, hm-hm« kam durch meinen verklebten Mund. Flippers Rute schlug, aber seltsam, verhalten, er lief hin und her. Seine Pfoten hörten sich komisch an, er stolperte, strauchelte, winselte. War er verletzt? Flipper! »Hm-hm!«
    Er hörte gar nicht mehr auf mich abzuschlecken, aber seltsam ungeschickt, langsam und schwerfällig, und knickte ein und fiel auf meine Schulter, der Schmerz gellte wie Phosphor
durch meinen Körper, rappelte sich auf, winselte. Herzzerreißend. Flipper! Ich war glücklich. Ihn zu spüren, ihn zu hören. Flipper. Am Leben. Aber so große Angst um ihn. »Hm-hm, Hm-hm!« Flipper, was ist mit dir? Was fehlt dir? Warum hörst du dich so komisch an? Er machte noch mehr Wind und schleckte meine Ohren ab und drehte ein paar Runden in dem Raum mit diesem seltsamen Schritt wie betrunken. Mühsam drehte ich mich auf den Bauch. Gleich würden meine Schultern abreißen. Die Nägel im Kopf steigerten ihr infernalisches Stakkato.
    »Hm-hm«, tönte ich. »Hm-hm hmhmhm hmhm« und meinte: Flipper: Kuck mal, was da ist. Da, auf meinem Rücken. Schau mal, ein Strick. Schnapp ihn dir. Beiß ihn durch.
    Ich sagte ihm das alles ohne Wörter, aber im entsprechenden Singsang, und ich stellte mir die Fessel an meinen Händen vor und wie Flipper sie durchbiss. Flipper jaulte. Und kippte um. Schwer schlug sein Leib auf den Boden. Es zerriss mich fast vor Sorge. Blutete er? So ein Hund ist schnell leer, hatte die Tierärztin bei dem Erste-Hilfe-Kurs gewarnt. Da ist nicht viel drin.
    »Hm-hm! Hm-hm!«
    Er rappelte sich hoch. Ich ruckte meine Arme nach oben.
    »Hmmm«, machte ich für pscht . Er stürzte erneut. Ich ließ die Arme sinken. Abgrundtief verzweifelt. Er tapste in meine Richtung. Leckte meine Hand. Ja, ja! »Hm-hm!« Unter grässlichen Schmerzen in den Schultern hob ich die Arme ein wenig an, ähnlich der Heuschrecke beim Yoga. Endlich erregten sie Flippers Aufmerksamkeit. Ich spürte seine warme Schnauze an meinen Händen. Warm und trocken. Nicht gut. Gar nicht gut. Kalt und feucht ist die gesunde
Hundeschnauze. Mit »hmhm« ermutigte ich ihn und hob die Arme höher. Tränen schossen mir in die Augen. Flipper knabberte ein bisschen, schleckte meine Hände nass. Ich bestärkte ihn. Er machte weiter. Wurde munterer. Knabberte konzentrierter. Ruckte an einem Ende des Seils. Es fühlte sich an, als würde er mir die linke Hand abreißen, er zog die Fessel noch enger, knurrte wie im Spiel, knabberte und biss, wahrscheinlich waren meine Finger längst violett. Ich ließ ihn machen und brummte Lob und stellte mir vor, wie er den Strick zerbiss. Auf einmal waren meine Hände frei. Was nicht bedeutete, dass ich sie bewegen konnte. Der Schmerz von der Schulter schoss durch meine Arme in die Handgelenke. Mir wurde schwarz vor Augen. Ich versuchte die Finger zu bewegen, dann die Hände, dann riss ich mir das Klebeband vom Mund und japste und tastete nach dem Tuch um meine Augen, das mit Klebeband fixiert war.
    »Flipper!« Ich blinzelte. Meine Augen brannten. Ich sah nur Schemen. Erst allmählich erkannte ich etwas im fahlen Mondlicht, das von oben rechts in den Raum fiel. Auf den ersten Blick sah Flipper unversehrt aus. Prüfend nahm ich seinen Kopf zwischen meine Hände. Seine Augen schauten mich verhangen an. Nervös tastete ich ihn ab. Keine Verletzung. Kein Blut.… Vielleicht hatte er eine

Weitere Kostenlose Bücher