Alle Vögel fliegen hoch
Handy?«, fragte ich.
»Das Handy«, Felix räusperte sich, »hat Simon in einem Matschloch versenkt. Er hat es mit dem Fernglas zusammen gefunden. Das muss in der Gegend gewesen sein, wo Walter Hartl sein Opfer niedergeschlagen hat. Simon hat das Fernglas und das Handy zuerst in einem hohlen Baum versteckt. Als die Leiche dann gefunden wurde, hat er sich beides geholt. Dabei hat zufälligerweise das Handy geklingelt – ein Werbeanruf seines Anbieters, wie wir recherchiert haben. Das Klingeln hat Simon so erschreckt …«
»Die Geister …«, nickte ich.
»… dass er es sofort loswerden musste, und das ist ihm beeindruckend gut gelungen. Unsere Psychologin sagt, er hatte das tatsächlich vergessen, also verdrängt. Wir haben
das Handy noch nicht gefunden, da es in der Gegend sehr viele Matschlöcher gibt und Simon sich nicht erinnert, in welches er es geworfen hat.«
»Und der verschwundene Laptop?«
Felix kreuzte seine Arme hinter dem Kopf. »Ja, der Laptop! Der hat uns beschäftigt. Wenn wir den gehabt hätten, dann hätten wir auch Walter Hartl sofort gehabt. Den Laptop hat Simons Vater mitgehen lassen.«
Ich riss die Augen auf. »Was?«
»Walter Hartl behauptet, er habe sich bei Klaus Hase für seinen Ausraster entschuldigen wollen und sei nachts zu dessen Haus gefahren. Zufälligerweise waren die Widmanns wie jeden zweiten Donnerstag beim Kegeln. Walter Hartl behauptet, er habe sich Sorgen um Klaus Hase gemacht und sei deswegen in das Haus eingedrungen, das nicht zugesperrt gewesen sei. Dabei ist er von Simons Vater beobachtet worden. Die Widmanns kamen früher als gewöhnlich zurück. Walter hatte sein Auto im Hof geparkt. Er sei davon ausgegangen, Klaus Hase anzutreffen. Dieser Punkt ist der Einzige, der für ihn spricht – sonst hätte er den Wagen versteckt geparkt. Oder er ist wirklich so bescheuert … Also musste er unter einem Vorwand zu den Widmanns, die ja nicht wissen sollten, dass er ihren Mieter aufsuchte. Diese Zeit nutzte Simons Vater, der wiederum konkret nach einem Beamer suchte, von dem er annahm, Klaus Hase hätte ihn aus seiner Garage gestohlen, was ich für eine Lüge halte. Jedenfalls nahm er bei dieser Gelegenheit den Laptop und eine Kamera mit – natürlich gehört auch er zu den Guten. Er hat nach dem Rechten sehen wollen, und dabei ist ihm aus Versehen die Beute in die Tasche gerutscht.«
»Unfassbar.«
»Ja, im Märchen erzählen sind viele unserer Kandidaten große Klasse.«
»Habt ihr den Film gefunden?«
»Nein. Vielleicht gibt es den gar nicht. Unsere Experten sind derzeit mit dem Laptop beschäftigt. Der hat sich als Fundgrube herausgestellt. Klaus Hase hat Protokoll geführt über alle seine Spaziergänge und Erkundigungen. Dies wird wohl einiges an Taubendreck aufwirbeln.«
»Hat er denn kein Update gemacht?«
»Doch. Am Laptop hing eine externe Festplatte. Die hat Simons Vater natürlich auch mitgenommen.«
»Wie habt ihr das alles rausgefunden?«
»Wir sind nicht so untätig, wie du uns unterstellst.«
»Aber ihr habt so lange gebraucht! Ihr wusstet doch, dass Klaus Hase ein Greifvogelfreund war.«
»Ja. Aber davon gibt es viele. Das ist noch kein Motiv. Vogelkundler sind meistens nette, harmlose Leute. Manche von ihnen, ja, das stimmt, haben wirklich einen Vogel, aber das ist kein Grund, sie umzubringen. Dennoch: Es war unsere erste Spur. Dann haben wir die Sache auf dem Patentamt entdeckt, und es sah so aus, als wäre Klaus Hase dort in etwas verwickelt. Wir sind in die falsche Richtung gelaufen – allerdings letztlich doch nicht, denn wir haben dort sehr erfolgreich ermittelt –, ohne diesen Zufall würde bis heute niemand ahnen, was da hinter den Kulissen abläuft. So ist es manchmal. Du denkst zu kompliziert. Oder durch einen Zufall wendet sich das Blatt.«
»Zufall«, sagte ich leise. Ich musste das alles erst verarbeiten.
»Du siehst erschöpft aus«, stellte Felix fest und streckte sich, wie man es häufig macht, ehe man sich verabschiedet.
»Dann ist das alles nur eine Verwechslung gewesen?«, dachte ich laut. »Die Geschichte hat lange vor mir und Flipper begonnen. Sie hat begonnen, als Klaus Hase auf dem Falknerkurs eine Frau mit Hund toll fand. Und ich … Ich bin in diese Rolle hineingewachsen, als hätte er mich gerufen, damit ich ihn finde, als hätte er mich gekannt. Ich war im Schock, nachdem ich ihn gefunden habe, aber es war mir immer so, als würde ich ihn vielleicht doch kennen. Er war mir irgendwie so nah. Und auch wieder
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