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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Künstler eben. Einmal bin ich mit. Ich bin um fünf Uhr morgens aufgestanden und das war natürlich völlig zu spät. Wir waren irgendwo draußen beim Ammersee oder an der Amper, Ammer, keine Ahnung. Er hat mich an der S-Bahn abgeholt. So früh fährt man sonst nur S-Bahn, wenn man zum Flughafen will. Da draußen gibt es Sumpfottern oder Seeadler oder große Schleiereulen oder was weiß ich. Ich war total zerstochen. Mindestens zweihundert Stiche hatte ich. Das wusste ich doch nicht, dass man Mückenschutz mitnehmen muss, und er hat es mir auch nicht gesagt, und ich hab ein Minikleid angezogen – ich dachte, wir machen einen Ausflug an den See. Okay, er hat mir seine Hose angeboten, das war ja wieder die nette Seite, aber wie hätte ich dann denn ausgesehen? Ich habe mich nur mit ihm getroffen, weil es mir zu der Zeit nicht so gut ging. Das habe ich Ihrer Kollegin auch schon erzählt.
Ich war gerade Single, und das bin ich nicht gewöhnt. Da fühlt man sich einfach scheiße, und bevor ich allein hier hocke, habe ich eben jede Gelegenheit genutzt.«
    Ich verlor meinen Dienstausweis. »Was stört Sie denn am Singledasein?«
    »Sorry, aber dafür sind wir doch nicht geschaffen, oder?«, fragte sie mich.
    Wozu denn sonst , fragte ich mich und wurde dann wieder offiziell. »Fällt Ihnen darüber hinaus etwas ein, das für die Ermittlungen von Bedeutung sein könnte?«
    »Nein! Ich habe alles gesagt. Und ich finde es unglaublich, dass er seiner Schwester erzählt hat, wir wären ein Paar. Ich habe ihn im Herbst das letzte Mal gesehen! Vor über einem halben Jahr! Ich hab nicht mal mehr seine Telefonnummer. Ein Patentanwalt hat mir erzählt, dass er im Amt aufgehört hat und …«
    »Der Name des Kollegen?«
    »Woher soll ich das wissen! Das habe ich Ihrer Kollegin bereits erzählt. Er kommt jeden Montag, Sie wollten doch jemanden schicken.«
    »O ja, das hatte ich vergessen, Verzeihung.«
    »Sie sind wohl auch ein bisschen überarbeitet?«
    »Das können Sie laut sagen.«
    »Na ja, das finde ich ja prinzipiell gut, dass Sie sich so reinhängen. Beruhigt einen schon irgendwie. Also, was ich noch sagen wollte, allerdings habe ich auch schon gesagt, er hat mir einen Fuffi Trinkgeld gegeben beim letzten Mal, wobei ich nicht wusste, dass es das letzte Mal war. So viel habe ich noch nie bekommen. Ich habe es genommen, um ihm zu zeigen, dass wir nur eine offizielle Beziehung haben.«
    »Natürlich«, warf ich ein.
    »Danach habe ich ihn nie wiedergesehen. Und jetzt kommen Sie, und ich soll seine Freundin gewesen sein – ich kann doch auch nichts dafür, dass er mich mal fotografiert hat und irgendwo in seiner Wohnung ein Bild von mir rumsteht. Das würde ich übrigens mal gerne sehen, das Bild, wo hat er es eigentlich gemacht? Im Café? Vielleicht heimlich? Oder bei unserem Ausflug. Das habe ich Ihrer Kollegin auch gesagt, dass ich das unmöglich finde, dass Sie mir das Bild nicht zeigen.«
    »Es ist wahrscheinlich noch bei der Spurensicherung.«
    »Ja, ja. Alles ist immer irgendwo. Eine Kamera hatte er mal eine Weile dabei. Die war ziemlich neu, und er hat in der Mittagspause die Gebrauchsanleitung gelesen. Wir haben uns drüber unterhalten. Dass man dafür ein Studium braucht und so. Er hat auch immer ein Fernglas dabeigehabt. Sogar im Café. Einmal hat er Tauben beobachtet. Das war schon schräg. Da haben sich andere beschwert, die dachten, er würde ihre Unterlagen lesen.«
    »Worüber hat er sonst noch so gesprochen?«
    Yvonne verdrehte die Augen. »Über Vögel und die Natur und wie die Tiere leiden müssen, weil es zu viele Straßen gibt … Er hat geredet wie ein Grüner!«
    »Das ist doch eigentlich … recht liebenswert?«
    »Finden Sie?«
    »Na ja, wenn es mehr solche Menschen geben würde …«
    »Eben nicht! Die haben nämlich einen Hau. Die meinen, wegen einer Ameise müsste man einen Fluss umleiten. Die sind so … streng und … erbarmungslos, nee, ich finde die nicht liebenswert.«

    »Haben Sie Klaus Hase einmal aggressiv erlebt?«
    »Nein! Das habe ich nicht gesagt. Und das lasse ich mir auch nicht in den Mund legen. Er war immer, wirklich immer, nett und höflich. Bis auf einmal. Das war an der Isar, da hatte ich Pause und habe ihn zufällig getroffen, ja, das war überhaupt das erste Mal. Da hat er sich mit einem Hundebesitzer angelegt. Den kenne ich sogar, weil der manchmal einen Kaffee bei uns trinkt. So kamen wir ja dann überhaupt ins Gespräch, also privat. Der Hund von dem ist total witzig, sein

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