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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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möglich?«
    »Ja, klar, logisch würde ich das.«
    »Und deshalb arbeiten wir in einer Gruppe von Ermittlern. «
    »Das finde ich auch gut. Bloß: Er ist tot. Und ich weiß nicht, ob er sich noch über irgendwas freuen kann. Beziehungsweise, was mich ärgert, ist, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann. Ganz einfach aus dem Grund, weil ich ihn nicht wirklich gekannt habe.«
    »Bitte überlassen Sie das uns. Jeder Hinweis kann wichtig sein.«
    Flipper legte sich ins Platz. Es würde also gleich losgehen.
Yvonne schenkte ihm überhaupt keine Aufmerksamkeit. Auch solche Menschen gibt es. Für die existieren Hunde nur als lästige Haarbüschelproduzenten.
    »Ich arbeite in einem Café in der Nähe vom Europäischen Patentamt. Mittags kommen immer Gäste von dort. Unsere Salate sind recht gut. Die Chefin macht sie mit Kräutern an. Ja, und er war eben auch da.«
    »Klaus Hase?«
    »Ja. Da wusste ich seinen Namen natürlich noch nicht, aber er kam ziemlich oft und – na ja, er sah ganz passabel aus – also wir haben uns hin und wieder ein bisschen unterhalten, wie das eben so ist, manche Gäste sind einem einfach sympathischer als andere und …«
    »Er war ein sympathischer Gast?«
    »Ja, auf jeden Fall. Auf den ersten Blick. Er hat seinen Teller immer ordentlich leergegessen und Messer und Gabel so abgelegt, dass nichts runterfällt. Das ist eine Kleinigkeit, aber man merkt schon, wenn einer eine Kinderstube hat. Er hat auch manchmal einen Stuhl weggerückt, damit ich besser durchkam. Er war wirklich ein angenehmer Gast. Er hat wahrgenommen, was um ihn passierte. Die meisten lesen ja nur Zeitung und für die sind wir praktisch Automaten, die die Bestellungen ausspucken und abkassieren.«
    »Sie wollen damit sagen, dass er Sie als Mensch behandelt hat?«
    Yvonne schob ihr Becken vor. »Als Frau.«
    »Sie haben ihm gefallen.«
    »Ja. Klar hab ich das gemerkt. Und wie gesagt, ich fand ihn auch sympathisch.«
    »Und dann haben Sie ihn privat kennengelernt?«

    »Er hat mich ins Kino eingeladen. Ins Imax. Das ist ja gleich nebenan. In einen Naturfilm. Das fand ich irgendwie süß. Ich meine, vorne am Isartor hätten wir echt einen tollen Film sehen können, und stattdessen gehen wir ins Deutsche Museum in einen Tierfilm, das ist doch putzig, oder?«
    »Wann war das?«
    »Das habe ich doch alles schon gesagt!«, wurde Yvonne wieder ungeduldig. Ich reagierte nicht darauf. Sie seufzte. »Also es dürfte jetzt ungefähr ein Jahr her sein, es war Frühling, das ist mal sicher, weil ich an dem Abend zum ersten Mal ein Kleid ohne Strümpfe getragen habe.«
    »Und dann?«
    »Waren wir noch zwei-, höchstens dreimal aus, also unterwegs. Er ist nämlich nicht ausgegangen. Er hat sich nicht für Kneipen oder Konzerte oder Weggehen interessiert. Er hat sich für gar nichts interessiert. Nur für Vögel.« Yvonne tippte sich an die Stirn. »Wissen Sie, also jetzt mal unter uns. Der sah gut aus, und er hatte das gewisse Etwas.«
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Na so einer, der irgendwie total stark wirkt, aber eben auch einsam. Einer, der nicht so einfach zu kriegen ist. Meistens sind sie ja Künstler oder machen sonst was. Die haben immer ihr Ding. Und davon muss man sie wegbringen. Das ist der Reiz. Dass man nicht gleich die Nummer eins als Frau ist. Aber der …«, sie kicherte, »… der hatte ’nen Vogel. Also nicht, dass das jetzt so rüberkommt, als würde ich dem was Schlechtes wünschen. Es tut mir auch echt leid, was dem passiert ist. Ich war total geschockt und habe in der Nacht, nachdem Ihre Kollegen da waren, kaum geschlafen. Aber es stimmt schon, dass ich nicht gut auf ihn zu sprechen bin,
weil er mir so viele Umstände verursacht. Wie gesagt, meine Chefin kriegt Pickel, wenn sie mittags den Laden alleine schmeißen muss, und ich war zweimal weg wegen Ihnen, also wegen ihm. Was ich sagen will: Er war schon nett und so. Aber eben komisch. Er hat keine Ahnung gehabt, was angesagt ist. Immer nur Vögel. Aber wissen Sie, die Art, wie er darüber geredet hat. Das hatte schon was. Der konnte einem das richtig nahebringen. Es gibt doch so Leute, denen hört man total gerne zu. So war der. Viel hat er nicht gesagt, also kein Blabla. Aber wenn er was gesagt hat, war das immer irgendwie interessant. Und er klang so kompetent dabei, so … Also ich würde mal sagen, er war ziemlich überzeugt von sich. Das ist schon anziehend, oder? Wenn einer überhaupt keinen Wert auf die Meinung anderer legt und dabei so sicher ist. Wie ein

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