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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Gesicht ist auf der einen Seite weiß, auf der anderen schwarz.«
    »Banane«, sagte ich.
    »Ja genau. So heißt er. Banane! Der steht auf Bananen. Und den kennen Sie?«, staunte Yvonne.
    »Ich habe ihn schon lang nicht mehr gesehen«, sinnierte ich.
    »Er geht meistens gegen halb drei. Da laufe ich nämlich vor zur Konditorei und hole Kuchen, wenn wir keinen mehr haben. Manchmal begegnet mir der Hund dann.«
    Ich räusperte mich. »Also, Sie bleiben bei Ihrer Aussage, dass Sie Klaus Hase eigentlich nicht kennen, Sie bezeichnen ihn als schrägen Vogel und haben ihn seit über einem halben Jahr nicht mehr gesehen«, fasste ich zusammen.
    »Na ja … schräger Vogel … also halt ein bisschen seltsam«, entkräftete Yvonne ihre Aussage. »Und nett. Wirklich sehr nett. Und das mit dem Hund, also das habe ich Ihren Kollegen nicht erzählt. Das ist mir jetzt erst eingefallen. Weil Sie auch einen dabeihaben.«
    »Da sehen Sie mal, wie wichtig es ist, dass wir Zeugen öfter vernehmen«, stellte ich fest.

    »Ja, ja«, machte Yvonne unwillig, aber doch beeindruckt, wie ich an ihrem nun sehr konzentrierten Gesichtsausdruck erkannte.
    »Waren Sie mal bei ihm zu Hause?«
    »Nö! Also nicht, als er noch gelebt hat. Heute war ich dort. Bei seiner Schwester. Habe ich das nicht schon erwähnt? Das ist vielleicht eine arme Frau. Sie hat geglaubt, wir wären schon ewig zusammen, würden vielleicht mal heiraten. Ich! Heiraten!«
    Ich zuckte mit den Schultern. Der Fall lag klar für mich. Bald wäre Yvonne unter der Haube. Sie musste nur die dreißig überschreiten, dann würde es auch bei ihr losgehen. Zuerst wurde garantiert nie geheiratet, und dann war es der wichtigste Tag im Leben einer Frau. Das war mein tägliches Brot in der Damenumkleide. Yvonne musterte mich unsicher.
    »Jedenfalls habe ich bei der Schwester nur gut über ihn geredet. Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn komisch fand. Ich meine, so was macht man doch nicht in der Situation, oder?«
    »Da haben Sie gut reagiert.«
    Yvonne nickte mit ernster Miene.
    »Und was sagen Sie mir nicht?«, legte ich nach.
    »Ich lüg die Polizei doch nicht an!«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich sonst bestimmt nicht pünktlich ins Kino komme! «, erwiderte Yvonne und deutete auf ihre Uhr. »Und mein Freund, der ist ziemlich eifersüchtig. Also wenn ich zu spät komme, dann denkt sich der immer gleich was. Und der ist so gut im Reden, dass ich da ganz schlechte Chancen habe.«
»So gut wie Klaus Hase?«
    Sie grinste. »Sieht so als, als würde ich da drauf stehen. Hm. Ist mir noch gar nicht aufgefallen. Doch, da ist was dran.«
    Mir fiel keine einzige Frage mehr ein. »Aber Ihr Freund bedroht Sie doch wohl nicht?«, stocherte ich im Nebel herum.
    »Quatsch! Ein bisschen Eifersucht gehört dazu. Sonst ist es ja langweilig, oder?«
    Nein, das fand ich nicht, ganz und gar nicht, und deshalb musste ich mich anstrengen, in meiner Rolle zu bleiben. Yvonne machte es mir leicht. »Ich muss jetzt wirklich los«, sagte sie.
    »Ich auch!«, entfuhr es mir.
    »Kino?«, grinste sie.
    »Training!«, vergaß ich mich.
    »Schießen?«, fragte sie.
    »Klar.«
    »Was haben Sie für eine Waffe?«
    »Beretta.«
    »Echt? Bei der Polizei?«
    »Da splittern die Nägel nicht so leicht ab«, erklärte ich.
    Yvonne nickte sachverständig. »Verstehe.«
    »Also dann«, sagte ich.
    »Wiedersehen, Frau …«, hub sie an.
    Da waren wir schon weg.

9
    Schlag fünf stürmte ich in Enzos Studio auf der Leopoldstraße. In diesem Moment sollte meine Stunde Body Art beginnen, im Anschluss Body Combat und Rücken fit . Achtzehn Schülerinnen warteten im Loft one vor ihren orangefarbenen und blauen Matten auf mich. Sie blickten in die Spiegel oder angestrengt daran vorbei, was nicht einfach ist in einem nahezu komplett verspiegelten Saal. Ich zählte vier neue Gesichter, vielleicht auch sechs, es gab immer ein paar, die sahen aus wie viele andere, und ich war mir nicht sicher, ob sie schon mal bei mir gewesen waren. Mittelgroß, mittelblond, mittelhübsch. Hier half Flipper mir normalerweise. An seinem Wedeln konnte ich ablesen, wen wir kannten. Dieser stete Wechsel nervte mich an der Arbeit in den Fitnessstudios. Da die Gruppen offen waren, musste ich immer wieder zurück auf Anfängerniveau, damit sich alle gut abgeholt fühlten.
    »Wo ist Flipper heute?«, fragte mich Inge, meine älteste Teilnehmerin. Sie war weit über siebzig und früher Sportlehrerin gewesen. Neben ihr sahen viele ganz Junge ganz schön alt aus.
    »Alle

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