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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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jemanden kennt, dann weiß man das, weil man es spürt.« Sie klopfte sich auf die Brust. »Hier!«
    Ich speicherte diese Bemerkung gerade unter wichtig, merken! ab, als Flipper die Ohren spitzte. Er hatte etwas auf dem Radar. Ich schaute auf die Uhr. Mein Plan war klar. Ich war eine inoffizielle Mitarbeiterin des Kommissars. Er glaubte mir. Er glaubte an mich? Ich wollte ihm zeigen, dass er Recht
hatte mit seinem Vertrauen. Ich wollte … etwas für ihn apportieren. Das Motorengeräusch, das Flipper längst geortet hatte, wurde lauter. Ich schaffte es gerade noch, mich von Martina zu verabschieden, ehe der blaue Golf in der Einfahrt parkte. Mein Herz klopfte. Flipper lief geschmeidig neben mir. Wir wechselten einen langen Blick.

8
    Ich hatte noch nie jemanden mit dem Auto verfolgt. Es war einfacher, als ich dachte, besonders um diese Uhrzeit, gegen drei, kurz vor Feierabendverkehr. Zum Glück hielt Yvonne sich nicht allzu lang bei Martina Hase-Berg auf, ich passte sie am Ortseingang ab. Wie erwartet fuhr sie nach München. Während ich auf den ersten Kilometern großzügig Platz zwischen meinem Volvo und dem Golf ließ, wagte ich mich auf der Autobahn dichter heran. Ich dachte nicht darüber nach, warum ich das tat. Ich machte es einfach. Ungefähr so, wie wenn Flipper eine Fährte verfolgt. Und er war bei der Sache. Aufmerksam saß er im Fond und ließ den Golf nicht aus den Augen.
     
    Wir fuhren auf dem Mittleren Ring nach Norden. An der Dachauer Straße bogen wir links ab, dann rechts in die Hanauer Straße, ich befürchtete schon, Yvonne wollte ins Olympia Einkaufszentrum, doch dann bog sie nach dem Georg-Brauchle-Ring links ab in ein Wohngebiet. Dreistöckige Genossenschaftsblocks, dazwischen ein paar höhere Gebäude, enge Straßen, kaum Hundeklos, vereinzelt Einfamilienhäuser. Der Golf blinkte und bog in die Gärtnerstraße. Ich hatte Glück, vier Autos dahinter war ein Parkplatz frei. Wir folgten Yvonne, einer attraktiven Frau, schlank, langbeinig
mit strohig blondiertem schulterlangem Haar. Im Gehen warf sie ein zerknülltes Tempotaschentuch in den Korb eines an einer Hauswand lehnenden blauen Hollandfahrrads und bog dann in eine Sackgasse ein. Ich schnappte mir das Tempo mit Zeigefinger und Daumen. Sicher ist sicher. Yvonne verschwand im Hauseingang eines achtstöckigen Hochhauses. Ich spurtete los. Zu spät. Weg war sie.
    »Mist!«, fluchte ich.
    Flipper schnupperte an einem Abfalleimer.
    »Sie sieht doch recht sportlich aus, oder?«, fragte ich ihn. Wenn ich Glück hatte, machte sie das, was ich meinen Schülerinnen stets mit auf den Weg gebe: Streicht Aufzug aus eurem aktiven Wortschatz.
    Ich drückte ein paar Klingelknöpfe in oberen Stockwerken und gelangte mühelos ins Haus. Es roch nach ungelüfteten Schlafzimmern, Mittagessensdunst und Turnschuhen. Flipper hatte einen schweren Job vor sich. Ich hielt Yvonnes Taschentuch vor seine Nase und kopfte ihm auf die Schulter. »Gut aufpassen, Flipper!«
    Sofort war er ganz da. Ganz Ohr. Ganz Auge. Ganz Nase. Alle Sinne weit offen.
    »Such!«
    Mit peitschender Rute rannte Flipper im Zickzack durchs Treppenhaus, vor und zurück, und raste dann die Treppen zum ersten Stock hoch.
    »Yep!«, flüsterte ich begeistert. Ich hatte mich nicht getäuscht. Yvonne verschmähte den Lift. Die Nase am Boden untersuchte Flipper den ersten Stock, lief in den zweiten, rannte im Zickzack an den Türen vorbei, rannte in den dritten, den vierten, den fünften Stock. Er zögerte kein einziges
Mal. Die Fährte war frisch. Sie lag wie ein aufgeschlagenes Buch am Boden und manchmal wohl auch in der Luft. Im sechsten Stock endete die Spur. Flipper setzte sich vor eine Tür, kehrte den Drahthaar raus, indem er die rechte Pfote hob und anzeigte, dass er am Ziel angelangt war. Herausfordernd schaute er mich an. Jetzt war ich an der Reihe.
    »Paulus«, las ich auf dem Türschild. Erst als ich geklingelt hatte, fiel mir ein, dass ich mir hätte überlegen sollen, was ich sagen sollte.
    Es dauerte nicht lang, bis Yvonne die Tür öffnete. Genervt, wie ich ihrem Blick entnahm. Ich wäre auch genervt, wenn ich gerade erst nach Hause gekommen wäre. Allerdings riss ich mir für gewöhnlich nicht das T-Shirt vom Leib und öffnete im BH. Ein starker Auftritt.
    »Yvonne Paulus?«, fragte ich, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte. Es war genau das Richtige. Ich hatte den Startknopf erwischt.
    Yvonne stemmte die Hände in die Seiten und fauchte: »Jetzt reicht’s!« Während sie

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