Alle Vögel fliegen hoch
haben wohl viel Geld?«
»Wie kommst du auf die Idee?«, staunte ich.
»Ich würde so einem Knirps kein Fernglas für über tausend Euro um den Hals hängen, aber in Starnberg ist das vielleicht normal.«
»Was?«
»Das war ein Zeiss.«
»Da gibt es doch bestimmt billigere.«
»Sagen wir mal günstigere. Billigere nicht. Aber das war auch nicht günstig. Naja. Wahrscheinlich hat er es von seinem Vater geliehen.«
»Sag bloß, jetzt kennst du dich auch noch mit Ferngläsern aus. Langsam wirst du mir unheimlich.«
»Mein Exfreund, also Sven …«
»Ja?«
»Der war mal Marketingchef bei Swarovski Optik. Die stellen auch Ferngläser her. Gezwungenermaßen kenne ich mich ein wenig mit der Materie aus. Konkurrenzbeobachtung und so.«
»Das wusste ich ja gar nicht! Ich dachte, Sven hätte in einer Werbeagentur gearbeitet?«
»Das war später. Dort hat er die Grafikerin eingestellt.«
»Deren Slip du in seiner Laptoptasche gefunden hast?«
»Themawechsel«, befahl Andrea alles anderes als elegant.
Als wir neben dem Hochsitz standen, war sie leichenblass, deshalb konnte es mir überraschend gutgehen. Ich hatte sie sehr gern, weil sie sich immer so einfühlte. Ich selbst spürte gar nichts und schaute konzentriert zu dem Baumstamm, wo ich mit dem Kommissar gesessen hatte.
»Und seine Schwester hat gesagt, er hätte noch gelebt?«, vergewisserte Andrea sich.
Ich nickte. »Ich will ihr schreiben, als Auf finderin des Toten, dass er ganz friedlich ausgesehen hat.«
»Das ist gut. Vielleicht weiß sie das auch. Vielleicht hat ihr die Polizei ein Foto gezeigt.«
»Hoffentlich nicht«, sagte ich schnell.
»Es ist schon schrecklich, wenn man sich vorstellt, dass er vielleicht mehrere Stunden oder sogar Tage auf Hilfe gewartet hat. Dass man ihn hätte retten können …«
»Er war bestimmt ohne Bewusstsein. Sonst hätte er anders dagelegen«, wandte ich ein, »verkrampft oder verdreht.«
»Vielleicht hat ihn irgendjemand später so hingelegt?«
»Wer macht denn so was?«
»Der Mörder«, sagte Andrea.
Ich bekam eine Gänsehaut und widersprach. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass der wusste, dass sein Opfer noch lebt.«
»Vielleicht ist er zurückgekommen?«
»Man schaut doch gleich nach, wie es einem geht, wenn er gestürzt ist.«
»Nicht, wenn man das wollte.«
Nachdenklich blickte ich an Andrea vorbei. »Stimmt. Und das wollte der Täter. Klaus Hase wurde niedergeschlagen. Vor dem Sturz. Das weiß ich von seiner Schwester.«
»Hat die Polizei die Tatwaffe gefunden?«, fragte Andrea, und sie hatte das Wort kaum ausgesprochen, da wurde mir schummrig.
»Franza? Was ist?«
Ich packte Andreas Unterarm. »Die Tatwaffe!«
»Ja?«
»Ich glaube, ich kenne sie.«
»Was?«
»Flipper! Er hat sie gefunden! Und ich hab es nicht verstanden! «
»Was? Wie?«
Atemlos sprudelte es aus mir heraus. »Flipper hat einen riesigen Ast angeschleift. Der hat etliche Kilo gewogen. Da war Blut dran. Flipper ist ausgerastet. Ich war total sauer, weil er mir nicht gehorcht hat. Ich war in Panik, ich dachte, er ist vielleicht einem Hasen oder Reh hinterher.«
Andrea starrte mich an. Gleich würden ihr die Augen rausfallen. »Wann? Wann war das?«
»Am Sonntag? Nein, am Freitag. Das gibt’s doch nicht! Andrea, das gibt’s doch nicht!«
»Da kanntest du die Schwester noch nicht und somit auch nicht die Todesursache.«
»Flipper ist total durchgedreht! Ich hätte das kapieren müssen!«
Andrea lenkte meine problemorientierte Selbstbezichtigung in Richtung einer möglichen Lösung.»Wo ist dieser Ast jetzt? Du musst die Polizei anrufen! Sofort! Das ist wichtig! «
»Ja«, nickte ich und dachte Er und kramte in meiner Jackentasche nach einem Hundekeks.
»Hier gibt es kein Netz«, erinnerte Andrea mich.
»Ich wollte Flipper eine Belohnung geben.«
»Wieso denn das?«
»Weil er die Tatwaffe gefunden hat«, erwiderte ich.
Andrea schüttelte meinen Arm. »Hallo! Das wissen wir
nicht. Und außerdem hat er sie nicht jetzt gefunden. Du verstößt gegen deine eigenen Grundsätze. Du hast mir eingetrichtert, dass eine Belohnung innerhalb von drei bis fünf Sekunden erfolgen muss, sonst kapiert der Hund nicht, wofür er belohnt wird.«
»Es gibt Ausnahmen«, behauptete ich.
»Franza, ist alles okay?«
»Ja«, sagte ich hastig. Es war mir nicht möglich, meine Aufregung zu verbergen. Ich würde ihn anrufen, auch wenn er mir total egal war. Ich hatte einen wichtigen Grund. »Franza, wenn Flipper die Tatwaffe gefunden hat,
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