Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
Vom Netzwerk:
Flippers Kopf. Dann öffnete ich die Augen, konzentrierte mich darauf, das Bild nicht zu verlieren und schickte Flipper wieder los. »Such!«
    Der Kommissar lag seitlich im Gras, den Kopf in die Hand gestützt, beobachtete mich und gähnte. Das fand ich ziemlich unhöflich. Ich schloss die Augen erneut und konzentrierte mich auf den Ast. Flipper war weg. Ein gutes Zeichen?
    Ja, ein gutes Zeichen, aber erst nach dem dritten Versuch, als Flipper den Bayerischen Gebirgsschweißhund aus seiner Spürnase schnuppern ließ. Und so schaffte er es. Der Kommissar
und ich sprangen auf, als er mit dem Riesenteil aus dem Wald galoppiert kam, das er leider nicht mittig trug, wie ich es ihm schon oft gezeigt habe. Zwei Drittel des Asts schleiften am Boden, und Flipper musste quer laufen wie ein Dressurpferd auf dem Parcours, um seine Last in unsere Richtung zu zerren.
    »Das ist er! Das ist er!«, rief ich, und wir rannten Flipper entgegen, der seine Beute wedelnd ins Gras fallen ließ.
    »Gimmi five!«, rief ich ihm zu. Er pfotete meine Hand ab, und ich gab einen Hundekeks aus, der Flipper nicht interessierte, er wollte, dass ich die Beute durch die Luft schleuderte.
    »Gimmi five!«, versuchte der sichtlich beeindruckte Kommissar es mir gleichzutun. Flipper beachtete ihn gar nicht.
    »Dann muss ich mich an die Chefin halten«, seufzte er gespielt verzweifelt, und wir klatschten unsere Handflächen aneinander. Es war ein seltsamer Augenblick. Wir freuten uns beide unbändig – in diesem Moment hatten wir vergessen, warum wir den Ast gesucht hatten. Der Kommissar schleuderte einen der anderen Stöcke über die Wiese, er konnte sehr weit werfen, und ich rechnete es ihm hoch an, dass er sich zuerst bei Flipper bedankte, ehe er den Ast untersuchte, ohne ihn zu berühren.
    »Ja«, sagte er dann leise, stand auf, blieb vor mir stehen, hob kurz die Arme, als wollte er mich umarmen, ließ sie sinken, schüttelte mir die Hand. »Das ist Blut!«
    Er kramte in seinem Rucksack nach zwei Müllsäcken und verpackte den Ast. Dann wandte er sich an Flipper. »Jetzt müssen wir nur noch wissen, wo genau du es gefunden hast. Nicht heute, sondern beim ersten Mal.«

    »Tut mir leid«, mischte ich mich ein, »das kann er nicht verstehen.«
    »Oder uns fehlt die Fähigkeit, ihm mitzuteilen, was wir wollen.«
    »Ja, vielleicht ist es so«, erwiderte ich beeindruckt.
    Der Kommissar zückte sein Handy.
    »Kein Netz«, erinnerte ich ihn.
    »Ich muss dieses Teil hier sofort nach München in die Pathologie bringen.«
    Ich warf einen Stock.
    »Franza, das war großartig.«
    »Ich hab gar nichts gemacht. Flipper hat den Ast gefunden. «
    »Nein, Sie beide. Das war wirklich enorm.«
    »Da sehen Sie mal, dass es doch nicht so schlecht ist, wenn ich hier Gassi gehe.«
    »Ja, dieses eine Mal. Aber jetzt bleiben Sie bitte in der Stadt.«
    »Ich dachte, der Mörder kehrt nicht an den Tatort zurück? «
    »Der Hochsitz ist der Tatort. Aber die Gegend hier…«
    »Und wenn ich noch was finde?«, fragte ich und dachte an Simon und das Fernglas.
    »Franza«, sagte er ernst.
    »Ja?«
    »Hören Sie auf mit Ihren privaten Ermittlungen!«
    »Aber ich mach doch gar nichts! Ich gehe nur Gassi.«
    »Gehen Sie woanders Gassi.«
    »Ich hab keine Angst. Ich kann mir sehr gut helfen. Und außerdem ist Flipper immer bei mir.«

    »Ja, das stimmt. Aber was machen Sie, wenn ein Täter Sie mit einer Waffe bedroht?«
    Ich überlegte mir gerade eine Antwort, da war der Kommissar schon hinter mir, wie eine gespannte Feder nach vorne geschnellt, doch er war trotzdem zu langsam für meine Reflexe. Er hatte seine Hände noch nicht um meinen Hals geschlossen, da lag er schon im Gras. Mein Kampfschrei hallte durch den Wald. Kihap! Seine blauen Augen schossen Blitze. Er sprang auf die Füße. Geschmeidig und schnell. Keine Spur mehr von Müdigkeit. Adrenalin. Ich erkannte sofort, dass ich einem ernst zu nehmenden Gegner gegenüberstand. Seine Reflexe übernahmen die Regie. Er fixierte mich in Kampfstellung, zwischen uns flirrte die Luft, und die Natur hielt den Atem an. Erst als Flipper den Pitbull markierte und sich mit gesträubtem Nackenfell an meine Seite stellte, ließ der Kommissar die Arme sinken, schüttelte den Kopf und fing an zu lachen. Es klang gepresst und machte mich wütend, denn ich war oft genug ausgelacht worden, früher, als junge Frau, von meinem damaligen Trainer.
    Ick will, dass du mir weh tust, rischtisch weh tust, Frenzi. Als Frau hast du ohnehin schleschte Chancen,

Weitere Kostenlose Bücher