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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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denn du musst dein geringes Gewischt dursch Technic wettmachen. Also triff misch rischtig. Deine Schläge mussen absolut prazise sein. Nischt irgendwie in die Gegend von das Sonnengeflescht, nischt irgendwo an die Brust, sondern direkt auf das Solaplexus, horst du das, Frenzi.
    Ich hörte, und ich schlug erneut zu, und wenn ich nicht wirklich traf, lachte er. Eric, mein amerikanischer Trainer, lachte so lange, bis ich dem Hundertzwanzig-Kilo-Koloss einmal wirklich die Sprache verschlug. Ich hatte sein Lachen
gehasst. Monatelang montags, mittwochs und freitags. Es sollte Jahre dauern, ehe ich ihm dafür dankbar war. Meine Technik war mein Kapital. Ich traf punktgenau, und meine Deckung zeigte keine Lücke. Die des Kommissars hingegen war verbesserungswürdig. Achtungsvoll schaute er mich an. »Das nennst du also Yoga?«, fragte er.
    »Es gibt verschiedene Arten von Yoga«, erwiderte ich ausweichend.
    Er grinste. » Yoga brutal ? Oder eher Taekwondo? Wenigstens weiß ich jetzt, Franza, dass ich mir keine Sorgen um dich machen muss.« Er rieb sich die Schulter. Ich hatte mich angemessen verteidigt, die Schulter war nicht ausgekugelt. Aber bestimmt tat sie ziemlich weh. Frenzi, du musst dein Kraft dosieren. Du musst die Situation kontrollieren. Und hor auf, wutend zu sein. Du musst immer ein cooles Kopf behalten und gleichzeitig dein Intuition reagieren lassen, so dass du weißt, was als nachstes geschieht.
    Tränen stiegen mir in die Augen. Wegen Eric, der seit fünf Jahren tot war, und Felix, der sich Sorgen um mich gemacht hatte. Es gab nicht mehr so viele Leute, die das taten, zumal ich es ja ohnehin nicht wollte. Lebte sich einfach angenehmer. Ohne Beziehung auch keine Delikte. Ich konnte sehr gut auf mich alleine aufpassen, und das, was ich nicht schaffte, erledigte Flipper. Ich kraulte ein wenig an ihm herum. Er war angespannt. Die Situation gefiel ihm nicht. Mir schon, was mir überhaupt nicht gefiel.
    »Wenn ich eines Tages ausgeschlafen bin, Frau Fischer«, kündigte Felix Tixel an, »würde ich gerne mal eine Runde Yoga mit Ihnen boxen.«
    »Jederzeit«, gab ich mich betont lässig.

    Natürlich wäre ich lieber mit dem Kommissar zum Parkplatz zurückgegangen. Aber ich begleitete ihn nur bis zum Waldrand und erklärte dann beiläufig, ich würde noch ein wenig spazieren gehen.
    »Etwas anderes habe ich nicht erwartet, Frau Fischer«, verabschiedete er sich formell mit einem Händedruck von mir.
     
    Es war bereits vier, als ich wieder am Parkplatz ankam. Von weitem schon sah ich, dass etwas auf meinem Auto lag und freute mich, dass der Kommissar einen kleinen Gruß für mich hinterlassen hatte. Neugierig rannte ich zur Motorhaube meines Volvo, blieb jedoch auf halber Strecke stehen und schrie, und Flipper bellte und sprang an der Motorhaube hoch mit gesträubtem Nackenfell.
    »Flipper! Weg da!« Er knurrte. Am liebsten wäre ich selbst weggerannt. Doch ich musste Ruhe bewahren, musste das Teil anfassen, um wegfahren zu können. Diesen zerquetschten roten, gefiederten Brei. Es war eine Krähe. Ein blutiges Stück Fleisch mit Gefieder, aufgespießt an meinem Scheibenwischer. Ein Auge starrte mich kalt und böse an. Panisch drehte ich mich einmal um die eigene Achse. War ich allein? Oder lauerte da jemand im Gebüsch?
    »Flipper, ist da wer?«, brachte ich nur noch würgend heraus. Ich wusste nicht, was da hochkam, aber ich konnte es nicht verhindern und kotzte an den rechten Scheinwerfer. Nach Luft ringend erkannte ich, woher der Gestank rührte. Diagonal über der Motorhaube stand in hellbrauner Hundescheiße: »Hau ab!«

    Ich rannte zur Straße, als wäre der Kommissar eben erst weggefahren und winkte wild einem Auto hinterher. Flipper drängte mich zurück und brachte mich zur Vernunft. Ich riss mein Handy heraus, wählte, drückte den roten Knopf. Nachdenken!
    Wieso war ich hysterisch?
    Das hatte alles nichts mit mir zu tun.
    Ich war empfindlich, weil mir der Kommissar eingeredet hatte, ich sei in Gefahr. Das waren Hirngespinste. Seine Berufskrankheit. Wieso sollte ich in Gefahr sein? Ich würde jetzt nicht paranoid reagieren. Ich würde mich nicht in ein Opfer verwandeln, bloß weil der Kommissar mir mit einem frei herumlaufenden Mörder gedroht hatte. Irgendein Schwein hatte einen toten Vogel auf mein Auto gespießt. Vielleicht passte ihm mein Parkplatz nicht. Vielleicht hatte er was gegen Schweden. Oder gegen einen meiner Aufkleber. Das Autobahnwapperl für die Schweiz. Vielleicht hatte einer die Zahlen

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