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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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verschlafen und noch nicht im Vollbesitz meiner Sinne, die nicht logisch dachten, sondern rosarot, und so ließ ich mich rückwärts ins Gras fallen und war ein paar Augenblicke lang wahnsinnig glücklich. Und als ich dieses verbotene Gefühl als solches entlarvte, vermutete ich, es könnte einen Platz im Tabernakel der Ewigkeit ergattern, man weiß ja nie, an welche Glücksmomente man sich später erinnern wird, doch dieser hier auf der blühenden Wiese an der grünen Isar mit den blendend weißen Kieseln und dem rabenschwarzen Flipper und Felix Tixels haselnussbrauner Stimme am Ohr, doch, das war ein Aspirant.
    »Frau Fischer, sind Sie noch dran?«
    »Freilich.«
    »Sie sagen ja gar nichts.«
    »Und Flipper?«, erwiderte ich.
    »Ja, klar lade ich Flipper auch ein. Was mag er denn am liebsten?«
    »Alles«, sagte ich und verabredete mich rosarot und saublöd und volltussig und total daneben für Freitag um siebzehn
Uhr dreißig mit dem Kommissar am Tierladen in Weßling, das ist praktisch Flippers Stammkneipe, und danach wollte der Kommissar mich im Undosa in Starnberg direkt am See zum Essen einladen.
     
    Das machte mir jetzt schon Appetit, und deshalb sagte ich »Tengelmann« zu Flipper. Als wir am Bereiter Anger um die Ecke bogen, geriet Flipper unter den Körnerregen eines alten Taubenweiberls mit Kopftuch.
    »Des wollt ich ned«, entschuldigte sie sich erschrocken und lächelte mich zahnlos an.
    Flipper schüttelte sich. »Das macht nichts«, sagte ich.
    »Scheißtauben!«, brüllte jemand aus dem Fenster.
    »Scheißmenschen!«, rief ein Fahrradkurier zurück.
    Grinsend überquerte ich die Eduard-Schmid-Straße und spazierte unter den süßlich duftenden Kastanien an der Reichenbachbrücke. Rosafarbene und weiße Blüten am Boden, ein klebriger Matsch, Flipper würde sie in die Wohnung tragen, so wie er früher den König, immer nur den König, geklaut hatte und damit die Schachspieler, die sich bei schönem Wetter hier versammelten, rebellisch gemacht hatte. Das hatte mich einige Flaschen Augustiner gekostet. Bei manchen der Spieler hieß Flipper respektvoll nach einem Schachweltmeister: Fischer , weil er zuweilen inspirierend in den Spielverlauf eingegriffen und sich mit zunehmendem Alter auch mal einen Läufer oder Springer geschnappt hatte – manchmal läutete er damit eine neue Spielphase ein und verhalf einem im Schatten des Schach darbenden Denker zu völlig neuen Perspektiven.

12
    Am Donnerstagvormittag geschah leider etwas Unvorhergesehenes. Flipper markierte die Buche, was Landpartie bedeutete. Erst als ich die A95 am Autobahndreieck Starnberg verließ, fiel mir ein, dass Landpartie nicht zwingend Wampertskirchen bedeuten musste. Doch ich wollte Klarheit. Einmal noch musste ich nach Wampertskirchen und mit den Widmanns sprechen. Bei der Gelegenheit konnte ich auch Simon fragen, woher er das Fernglas hatte und dann morgen beim Essen reinsten Gewissens in die blauen Augen des Kommissars blicken.
     
    Kurz vor zwölf parkte ich an der Straße vor dem Hof der Widmanns. Zu meiner großen Erleichterung war die Tür zu meinem Häuschen geschlossen und auch sonst wies nichts auf die Anwesenheit von Klaus Hases Schwester hin. Leider schienen auch die Widmanns nicht zu Hause zu sein. Ich ließ Flipper aussteigen und schlenderte zum Eingang des alten Bauernhauses. Ein paar Hühner liefen gackernd durch den Garten. Ihr Gockel krähte. Das war bestimmt nervig, wenn man hier wohnte. Eine weiße Ente sprotzte auf ein Gänseblümchen, das seinen Kopf unter dem Gewicht des flüssigen Spinats ergeben beugte. Barfuß laufen war hier nicht ratsam. An der Eingangstür der Widmanns fehlte
die Klingel. Der Schlüssel steckte. Ich klopfte. Nichts rührte sich. Ich klopfte lauter. Schließlich öffnete ich die Tür einen Spalt und rief: »Hallo!« Ein warmer Duft von Rohrnudeln zog in meine Nase. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Rohrnudeln hatte meine Oma jeden Freitag serviert. Mit Zwetschgen aus ihrem Schrebergarten. Flipper stand mit schräg geneigtem Kopf neben mir.
    »Ist da wer?«, fragte ich ihn.
    Keine Reaktion.
    »Flipper, such den Herrn Widmann!«, befahl ich ihm, als ein Auto in den Hof fuhr. Der schlammfarbene Mercedes hatte kaum gehalten, da stürzte ein blondes Mädchen auf Flipper zu.
    »Hoit! Sarah! Bleib stehn!«, donnerte eine Männerstimme.
    Doch Sarah war nicht zu halten. Sie warf sich Flipper förmlich an den Hals. Da Flipper freundlich wedelte und keine Anstalten machte, das Mädchen zu

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