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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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für sein Nummernkonto vergessen und war deshalb nicht gut auf die Eidgenossen zu sprechen? Damit brauchte ich den Kommissar nicht zu belästigen. Er sollte sich erst mal ausschlafen. Moppelchen auch. Im Grund genommen war doch gar nichts passiert. Bestimmt war der Vogel schon länger tot. Ich würde jetzt zurückgehen, das Massaker fotografieren, die Gummistiefel aus der Plastiktüte nehmen und mit dieser Tengelmanntüte den Vogel vom Scheibenwischer ziehen. Ich würde dabei nicht auf den Vogel schauen. Ich würde den Vogel an einem Ort ablegen, wo ich ihn wiederfinden konnte, falls ich dem Kommissar doch noch davon erzählen wollte. Dann würde ich durch die Waschanlage fahren und nicht mehr dran denken, sondern
um neunzehn Uhr gut gelaunt Body Styling und danach die Selbstverteidigung abhalten und dann in die Sauna gehen.
    Und genauso machte ich es.
     
    Am Mittwochmorgen fühlte ich mich entsetzlich. Ich hatte geträumt, jemand habe Flipper mit einem vergifteten Hendl umgebracht, und während mein Hund kalt und tot in der Ecke lag, kam langsam aber unaufhaltsam mein Mörder auf mich zu. Leider konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, bevor er mir einen Jutesack über den Kopf stülpte.
    Als meine Kopfschmerzen beim Yogaunterricht nicht verschwanden, bat ich Lydia mich zu vertreten. Sie bot mir großzügig an, nicht nur meinen heutigen Unterricht, sondern gleich die nächsten vier Tage zu übernehmen. »Du hast viel gut bei mir, Franza.« Ich stimmte zu und startete erst mal eine Putzorgie. Ich kümmerte mich nicht nur um das Gröbste, ich widmete mich sogar den Fenstern und räumte den Keller auf – und das alles tat richtig gut. Auf einmal war es zwei Uhr am Nachmittag, und ich war noch immer nicht mit Flipper Gassi gewesen. Zufälligerweise lief ich nicht direkt an der Isar entlang wie sonst, sondern auf dem höher gelegenen Weg, wo man bei schönem Wetter am Wochenende eine reelle Chance hat, von Radlern über den Haufen gefahren zu werden. Dort begegnete mir zufälligerweise Banane. Auf Hundebesitzer ist Verlass, sie halten ihre Zeiten meistens ein, weil sie sich der Illusion hingeben, sie hätten den Darm ihrer Vierbeiner erzogen. Flipper jedenfalls war überfällig. Die Zwölfdreißiger, wie ich sie nenne, fehlte. Flipper erledigt pro Tag in der Regel zwei Geschäfte. Einmal zwischen sieben und acht Uhr, die Morgentoilette, sie ist
meistens in drei Stücke portioniert, einmal lang, zweimal kurz; ich bin vertraut mit Anblick und Konsistenz, da ich seine Hinterlassenschaften in kleinen roten Tütchen entsorge, und mittags die Zwölfdreißiger, einmal mittellang, zwei- bis viermal kurz, die sich in Sonderfällen bis zu drei Stunden verspäten kann. Nur sehr selten serviert Flipper abends einen Nachschlag.
    Ich wechselte die üblichen Sätze mit Bananes Besitzer, einem wortkargen Mann um die fünfzig im dunkelblauen Jogginganzug – mit Magenfalten und dünnen Lippen – und versuchte dann herauszubekommen, ob er Klaus Hase gekannt hatte, indem ich ihn fragte, ob er auch der Meinung sei, dass die Leute immer unhöflicher würden und so viele Hundehasser unterwegs seien, die einem verbieten wollten, Hunde frei laufen zu lassen. Bananes Besitzer nickte bloß. Selbst auf die direkte Frage, ob er auch mal so einem Typen begegnet sei, fiel ihm nichts ein. Ich hätte ein Foto von Klaus Hase gebraucht, um seiner Erinnerung auf die Sprünge zu helfen und einen Dienstausweis. Leider unterstützte Flipper mich nicht, er entdeckte eine rassige Chihuahua in einem grünen Mäntelchen und gab den jugendlichen Liebhaber – was besonders das Frauchen der Chihuahua überforderte.
     
    Als ich mich daraufhin sehr schnell von Bananes Besitzer verabschiedete, Flipper anleinte und zum Wasser zerrte, kam ich mir ziemlich bescheuert vor. Was war denn das für eine Nullaktion! Was sollte das bringen? Wozu buddelte ich in kalten Maulwurfshügeln herum?
    Ich setzte mich ins Gras, schloss die Augen und genoss die Sonne. Ich sollte mir öfter mal einen freien Tag gönnen.
Der Nachmittag fühlte sich ganz anders an, wenn mir auch der Abend gehörte. Irgendwann nickte ich ein und wurde von meinem Handy geweckt. Flipper war weg. Auf die grüne Taste zu drücken und »Flipper!« zu rufen, war eine Bewegung.
    »Au!«, kam es zurück.
    »Verzeihung«, sagte ich zuerst zum Kommissar und dann zu Flipper, der hinter mir zu ruhen beliebte.
    »Franza! Flipper hat die Tatwaffe gefunden! Ich lade Sie zum Essen ein.«
    »Was?«, fragte ich, ein wenig

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