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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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ihren Mann. Er reagierte nicht. Er brauchte keine neue Waschmaschine.
    »Woidl, der Rudi is da.«
    »Kimm glei.«
    »Na, nur mit da Sarah. Er hat sie hergfahrn, weil ihr Mama no in der Arbeit is. A Lehrerin is grang. Die hom früher Schui aus heit. D’Mama hoit sie dann späda ob. Da Rudi muaß glei weida. Er huift da Sarah nur mit da Bella. Kimmst moi?«
    »Gib ihr a Roanudl!«, befahl Herr Widmann und empfahl sich grußlos.

    »Kommen’s bitte mit«, bat mich Frau Widmann, und da erst begriff ich, dass ich, nicht Sarah, in den Genuss einer Rohrnudel kommen würde. Jep!
    Ich folgte Frau Widmann zu ihrem Haus, wo ich in die gute Stube gebeten wurde, in der es aussah, wie man es aus dem Fernsehen oder zum Beispiel aus Frau Feigls Wohnung kennt. Viel Holz, Regal mit Zinnbierkrügen, Bilder der Ahnen, der Ururgroßvater mit Kaiserbart und Pfeife, Kitsch, zünftige Sitzkissen, eine Vase mit Strohblumen – und ofenwarme Rohrnudeln. Mit Sauerkirschen. Ich biss hinein in das Glück meiner Kindheit, drückte die weiche Süße an den Gaumen, genoss das Kitzeln der sauren Frische auf der Zunge und die heimelige Wärme beim Abgang. Natürlich waren die von meiner Oma besser, weil die Erinnerung schon so lang in den alten Fässern gärte, aber diese hier waren auch nicht schlecht.
    »Super!«, strahlte ich Frau Widmann an, die sich über mein Kompliment freute.
    »Er auch?«, wies sie nach draußen, wo Flipper brav vor der Tür wartete.
    »Nein, danke«, lehnte ich ab, da wurde die Haustür aufgerissen, knallte ins Schloss. Herr Widmann polterte durch den Flur in die gute Stube.
    »Frau Fischer, es geht doch nicht. Ich vermiete nicht an Sie.«
    »Woidl!«, rief Frau Widmann.
    »Was?«, rief ich.
    Er fuhr mit der flachen Hand durch die Luft. »Aus is’!«
    »Und warum?«, fragte ich.
    Frau Widmann fragte nichts. Sie wusste, dass sie keine
Antwort bekommen würde. Sie starrte ihren Mann nur aus großen Augen an.
    Der blieb direkt vor dem Tisch stehen, und ich verstand sehr wohl. Entweder ich würde sofort gehen, oder er würde mir dabei helfen.
    Ich erhob mich langsam. Irgendwie war ich erleichtert. Gleichzeitig auch wütend. Ich war froh, das Haus los zu sein und wollte es jetzt erst recht. Unbedingt.
    »Ich pack Ihnen noch eine Rohrnudel ein«, nuschelte Frau Widmann und drückte sie mir dann nackig in die Hand; der Blick ihres Mannes duldete keine Verzögerung.
    »Danke, Frau Widmann«, sagte ich und ging zur Tür. Ihre schlechtere Hälfte würdigte ich keines Blickes. Im Hof neben dem Hühnerstall stand mit verschränkten Armen ein breitschultriger dunkelhaariger Mann in einem blauen Overall und musterte mich feindselig.
    »Kimm rei, Walter, i hob Roanudln gmacht«, lud Frau Widmann ihn ein, und ich hatte keinen Appetit mehr.
    Ich legte die Rohrnudel neben die gestrige Abendzeitung auf dem Beifahrersitz – ich kaufte jetzt jeden Tag die AZ und die tz und suchte nach dem Stand der Ermittlungen im Mordfall des Toten vom Hochsitz, doch es gab keine. Ich war so durcheinander, dass mir erst an der Autobahnauffahrt einfiel, dass ich eigentlich Simon nach dem Fernglas hatte fragen wollen. Was war da eben geschehen? Es machte mich rasend, dass ich jetzt, wo es zu spät war, absolut sicher wusste, dass ich in Wampertskirchen wohnen wollte. Bis München zermarterte ich mir das Hirn, was ich falsch gemacht haben könnte. Immer wieder ließ ich den kurzen Wortwechsel mit Herrn Widmann Revue passieren und
kam stets zum selben Schluss: Ich hatte keinen Fehler gemacht. Flipper hatte mir diese Suppe eingebrockt. Wenn das Mädchen nicht zu ihm gelaufen wäre, hätte der ängstliche Opa nicht gegen mich gesprochen. Er steckte dahinter. Er musste erfahren haben, dass ich die neue Mieterin war, und hatte sein Veto eingelegt. So wie er sich aufgeführt hatte, war er ein Familienmitglied. Vielleicht Herrn Widmanns Bruder? Obwohl… Ähnlich sahen sie sich nicht. Der Opa war feister und kleiner. Vielleicht gehörte ihm ein Teil des Hofes? Er wollte nicht, dass das Haus an eine Hundebesitzerin vermietet wurde. Das war unglaublich! Das war genauso schlimm wie in der Stadt! Wo sollte ich jemals eine neue Wohnung finden!… Oder lag es daran, dass er mich in der Scheune überrascht hatte? Wollte er vertuschen, dass das mit dem Dämmmaterial gelogen war? Aber vielleicht hatte er es woanders gelagert. Der Hof war riesig. Er wusste doch nicht, dass ich auf der Suche nach dem Material war. Ich hatte in der Scheune nichts angefasst. Ich war einmal vom

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