Alle Vögel fliegen hoch
Heuboden gesprungen – das war kein Verbrechen! Das Einzige, was mir aufgefallen war, war dieser komische Vogelkäfig gewesen. Ob der vielleicht Klaus Hase gehörte, und er sich geärgert hatte, weil er ihn noch nicht weggeräumt hatte? Andererseits hatte er mich in der Scheune freundlich begrüßt und sogar zu Rohrnudeln eingeladen. Dieser Rudi steckte dahinter. Nachdem Herr Widmann mit ihm gesprochen hatte, war alles anders gewesen.
Flipper maulte, weil ich ihm ein Gassi schuldete. Es war immerhin schon zwei. Ich fuhr direkt nach Hause und schlüpfte in die Joggingklamotten. Den Ärger ablaufen. Hinterm
Heizkraftwerk beruhigte ich mich allmählich. Bis zum Tierpark fühlte ich mich relativ gelassen. Um diese Uhrzeit waren nicht viele Jogger unterwegs, eigentlich war es auch zu heiß, doch ich lief gut behütet unter lindgrünen Bäumen meine geliebte Isar entlang. Immer weniger Menschen begegneten uns. Ein paarmal hatte ich das Gefühl, als folgte uns jemand. Das gefiel mir ganz und gar nicht. Ich wollte nicht so Zeug denken wie die Frauen in meinen Selbstverteidigungskursen. Das war die Schuld des Kommissars. Er hatte mir Angst einjagen wollen. Fehlanzeige Felix, dachte ich. Und außerdem hab ich Flipper. »Oder?« Mein schwarzer Riese blieb stehen, drehte sich zu mir und wedelte beruhigend auf mich ein. »Auf die Plätze, fertig, los!« Wir rannten um die Wette. Man muss nicht weit ins Umland ziehen, um Postkartenidylle zu genießen, die gibt es auch in der Stadt. Eine Stunde später hatte ich eine große Runde bis zur Wittelsbacherbrücke gedreht und stand vor Andreas Praxis. So ein Zufall!
»Es gibt keinen Zufall«, behauptete Andrea, als ich sie anrief. »Eben hat eine Patientin abgesagt. Komm doch auf einen Kaffee hoch!«
»Bitte lieber Wasser. Eine ganze Flasche«, bat ich. Ich drehte mich noch einmal um, aber hier war niemand weit und breit.
Ich war erst wenige Male in Andreas Praxis gewesen und fühlte mich nicht wohl dort, weil Andrea sich anders benahm als in der freien Wildbahn. Sie wirkte distanzierter durch ihre professionell zugewandte Aufmerksamkeit. Doch ich hatte großen Durst und ließ das kühle St.-Leonhards-Wasser genussvoll durch meine Kehle rinnen. Andrea
erkundigte sich nicht ohne Vorwurf in der Stimme – du hättest dich melden können! – nach der Tatwaffe, und ich erzählte, was seit gestern geschehen war. Den Kommissar erwähnte ich wieder nur kurz – Andrea grinste, fragte aber nicht nach – und widmete mich dann ausführlich dem unerfreulichen Besuch bei den Widmanns. Andrea vermutete wie ich, dass der Opa von Sarah hinter der Entscheidung von Herrn Widmann steckte.
»Wenn du das Haus haben willst, musst du dich wahrscheinlich an ihn wenden.«
»Sympathisch war er mir nicht.«
»Er hatte Angst um seine Enkelin.«
»Ich weiß doch gar nicht, wer das ist! Nur, dass er Rudi heißt.«
»Das wirst du schon rauskriegen, wenn es dir wichtig ist.«
»Also fändest du es gut, wenn ich dort wohnen würde?«
»Das ist bestimmt eine traumhafte Gegend. Aber… nein, ich fände es nicht gut. Ganz und gar nicht. Doch du wirst kaum auf mich hören.«
»Stimmt.«
»Dann frag mich bitte auch nicht mehr nach meiner Meinung. «
»Das habe ich gar nicht!«
»Vielleicht kannst du dich jetzt mal dazu aufraffen, in München nach einer Wohnung zu suchen. Du hast genügend Zeit.«
»Und wenn ich keine kriege?«
»Dann ziehst du für ein paar Wochen zu mir. Du kannst mein Arbeitszimmer haben. Das brauche ich nicht mehr, seit ich die Praxis habe.«
Flipper wedelte entzückt.
Ich sah keine Veranlassung, mich stationär bequatschen zu lassen, und war trotzdem gerührt. »Vielen Dank!«
Flippers Rute sank auf Halbmast und wedelte verkrampft nur das Nötigste weg. Schon wieder grinste Andrea. Ich tat, als würde ich es nicht bemerken und goss mir noch ein Glas Wasser ein.
Andrea schaute auf ihre Uhr. »Musst du nicht zum Unterricht? «, fragte sie mich.
»Hab heute frei.«
»Aha.«
»Dieser Kommissar hat mich zum Essen eingeladen.«
»Ach.«
»Mmh.«
»Heute?«
»Nee, morgen.«
»Und wo?«
»Starnberg. Undosa.«
»Feine Adresse.«
»Hm.«
»Und was ziehst du an?«
»Spinnst du?«
»Wieso?«
»Das ist doch völlig egal.«
»Hey, Franza, du hast ein Rendezvous!«
»Nee. Das ist ein… ein Geschäftsessen«, erwiderte ich, weil mir auf die Schnelle nichts anderes einfiel. »Ich bin eigentlich gar nicht eingeladen. Flipper ist eingeladen. Und da er nicht geschäftsfähig
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