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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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ist, bin ich dabei.«
    Andrea bemühte sich, ernst zu bleiben. »Verstehe.« Dann
wollte sie wissen: »Was sagt der Kommissar eigentlich dazu, dass du in das Haus einziehen willst?«
    »Will ich ja gar nicht mehr«, behauptete ich und dachte: Wollte ich nie . Es war nur so ein Spleen. Und der war jetzt vorbei. So würde ich dem Kommissar wunderbar beiläufig davon erzählen können. So würde ich ihm in einem belanglosen Nebensatz sogar anvertrauen können, dass ich Klaus Hases Schwester kennengelernt hatte, und ich durfte wissen, dass dort eingebrochen worden war. Ich würde das Haus nicht mieten. Das war die Wahrheit. Für heute und morgen. Übermorgen konnte ich mich immer noch um den Opa kümmern. Und wenn der Kommissar mein Verhalten abstoßend finden würde, konnte ich nichts dafür. Ich hatte im Schock reagiert. Eine Panikattacke wegen der mir bevorstehenden Obdachlosigkeit.
    »Du sag mal«, fragte ich Andrea, »in Panik, da macht man doch Sachen, die man sonst eher nicht tun würde, oder?«
    Sie nickte. »Vor allem vergisst man viel. Die Panik schränkt die Fähigkeiten des Gehirns ein. Es läuft praktisch nur noch auf Notstrom. Ich habe gerade eine Patientin, deren Haus ist abgebrannt – und sie hat ihre Katze vergessen! Obwohl die ihr Ein und Alles ist!«
    »Und dann?«
    »Die Feuerwehr hat sie gerettet.«
    »Gottseidank!«, entfuhr es mir.
    »Man kann sich bei Kommissaren auch ohne Panikattacke vergessen«, kicherte Andrea.
    Ich verdrehte die Augen. »Ich glaube, du brauchst mal wieder eine Affäre.«
    »Ach Franza! Sei doch nicht immer so ruppig.«

    »Hey, ich habe nicht an so was gedacht.«
    »Aha, woran denn sonst?«
    »Ich wollte wissen, ob man in Panik leichter etwas vergisst. «
    »Ja, das habe ich dir doch gerade an einem Beispiel beantwortet. Das Gehirn arbeitet nur mehr eingeschränkt. Wieso fragst du?«
    »Weil ich etwas vergessen habe.«
    »Und was?«
    »Einen Vogelkäfig. Und ich weiß nicht, ob das vielleicht wichtig ist.«
    Andrea beugte sich vor.
    Es klingelte.
    »Macht nichts«, sagte ich schnell. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich sollte zuerst dem Kommissar davon erzählen. Über fehlenden Gesprächsstoff brauchte ich mir somit keine Gedanken zu machen.

13
    Natürlich hatte ich mir Gedanken gemacht, wie das Treffen mit dem Kommissar verlaufen würde. Ich hatte den ganzen Tag und auch die Nacht davor nichts anderes gemacht als mir Gedanken. Und dann kam alles ganz anders, denn der dunkle BMW des Kommissars blinkte mich bereits an der Autobahnausfahrt bei der Allguth Tankstelle in Oberpfaffenhofen an. Keine Ahnung, wie lang er schon hinter mir gefahren war oder ob er mich zwischendurch mal überholt hatte. Ich wollte nicht darüber nachdenken, wie oft ich meinen Hals gereckt hatte, um mich im Rückspiegel zu betrachten oder meine Haare durchzuwuscheln. Ich winkte zurück, als wäre nichts dergleichen vorgefallen, und achtete darauf, die Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 km/h einzuhalten. Am Ortseingang von Weßling bremste ich ruckartig auf 50 km/h ab. Ich blinkte lange, bevor ich rechts abbog zum Parkplatz des Tierladens, der sich an der Hauptstraße beim S-Bahnhof befindet. Flipper flippte seit Autobahnende aus. Er kennt den Weg. Ich kaufe hier gerne ein, weil Flipper seine neugierige Nase in alle Tüten stecken und sich selbst bedienen darf. Wenn ihm Herr oder Frau Tierladen großzügig etwas anbieten, verschmäht er das. Er will selbst wählen und stupst und rupft so lange an den durchsichtigen Plastiktüten im Regal hinter
der Kasse, wo die wahren Delikatessen lagern, bis er am Ziel ist.
    Der Kommissar parkte neben mir und kramte auf dem Beifahrersitz herum. Ich nutzte die Gelegenheit, Flipper aussteigen zu lassen, der die Treppen zum Tierladen hochspurtete, wo just in diesem Moment ein Chihuahua im roten Mäntelchen erschien. Das Frauchen des Chihuahua riss ihr zitterndes Laborhündchen hoch. Ich packte Flipper am Halsband, der leckte sich aus Verlegenheit übers Maul – was in diesem Zusammenhang makaber wirkte.
    »Hallo, Franza! Sind Sie auf der Flucht?«, begrüßte mich der Kommissar.
    Flipper jaulte. Wie konnten wir am Paradies nur so lange vor verschlossener Tür darben!
    »Hallo Flipper«, sagte der Kommissar, »du bist eingeladen.« Er sah wieder umwerfend aus, obwohl er mir in Jeans besser gefiel, heute hatte er sich richtig schick gemacht, schwarze Hose, weißes, dezent gemustertes kurzärmeliges Hemd, und ich war froh, mich in letzter Sekunde ein drittes Mal umgezogen

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