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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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zu haben. Das neue rote, knielange Sommerkleid mit dem kecken Dekolleté stand mir sehr gut, wie mir vorhin auch Herr Brunnhummel vom Getränkemarkt bestätigt hatte. »Ja, die Frau Fischer! Reschpekt!« Ausnahmsweise trug ich keine Gassischuhe, sondern Middle Heels, und ich hatte mir sogar die Zehennägel lackiert. Einfach mal so zum Training der Feinmotorik.
     
    Frau Tierladen begrüßte uns freundlich wie immer. »Ja grüß dich, Flipper… und, ach grüß Gott, Frau Flipper, ja so was, schau an, der Herr Flipper ist auch mal dabei, grüß Gott.«
    Felix Tixel grinste breit.
    Alle anderen Kunden werden hier mit Frauli oder Herrli angesprochen. Das kann ich nicht ausstehen, doch ich konnte natürlich nicht verlangen, als Chefin tituliert zu werden, denn die Chefs sind ja Herr und Frau Tierladen, also hatten wir uns auf Frau Flipper statt Flipperfrauli geeinigt.
    Frau Tierladen klopfte Flipper auf die Schulter. »Gar nicht nass heute?«, stellte sie fest.
    »Wir waren noch nicht am See«, erklärte ich. Normalerweise badet Flipper im Weßlinger See, ehe wir auf der Heimfahrt beim Tierladen halten.
    »Lässt dein Herrli dich nicht schwimmen?«, fragte Frau Tierladen.
    Der Kommissar widersprach dieser Anrede nicht. Sein Problem. »Was empfehlen Sie uns denn?«, fragte er ein wenig unbeholfen.
    Frau Tierladen starrte ihn an. »Wie? Empfehlen?«
    Ich bemühte mich, ernst zu bleiben. Woher sollte Felix wissen, dass Flipper keine Beratung benötigte.
    »Flipper soll was ganz Besonderes kriegen.«
    Frau Tierladen nickte zuerst langsam, dann schneller. Mir schwante das Schlimmste. Nein, wir brauchten keinen Ochsenziemer, um Flipper wegen unseres bevorstehenden Nachwuchses freundlich zu stimmen. Ochsenziemer nennt man die Haut des getrockneten, schraubenförmig gedrehten und lang gezogenen Bullenpenis; er ist hart wie ein Knochen. Ob der Kommissar das wusste?
    »Hm? Vielleicht … Rindfleisch?«
    Felix hörte nicht zu. Er hatte die Hundespielzeuge entdeckt
und vergnügte sich damit, auf bunte Bälle und Knochenimitate zu drücken, die in Todesangst quietschten.
    »Das kommt mir nicht ins Haus!«, bremste ich ihn.
    Bedauernd zuckte er mit den Schultern. Ich wechselte ein paar Worte mit Frau Tierladen, und als ich mich wieder zu Felix umdrehte, hielt er ein braunes Lederhalsband in der Hand und sah auf einmal traurig aus. Leder , dachte ich, typisch Mann . Ich hatte Flipper noch nie in Leder gezwungen, sondern bunte Farben und flippige Dessins für ihn ausgesucht. Obwohl Flipper im Paradies normalerweise keine Termine für psychologische Interventionen frei hat, wendete er sich kurz von seiner halb geschlachteten Plastiktüte ab, wo sich ein paar getrocknete Würste in ihren letzten Zuckungen wanden, und wedelte Felix aufmunternd zu. Der merkte das gar nicht, weil er uns nicht anschaute. Flipper nicht, mich nicht. Er hängte das Halsband zurück. Ich hätte gern gewusst, was er dachte.
    »Das würde Flipper bestimmt gut stehen«, mischte sich Frau Tierladen ein.
    »Wir brauchen kein Halsband«, sagte ich.
    Felix entdeckte ein rosa Schwein und hob es wie eine fette Beute in die Luft. Es sah täuschend echt und brüllend komisch aus, quiekte allerdings nicht, sondern oinkte. Felix hielt es mir ans Ohr und drückte sanft drauf.
    »Hör mal«, schon wieder duzte er mich, »es erzählt dir ein Geheimnis.«
    Ich kicherte, weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte tun sollen. Geheimnis? Was für eine Vertraulichkeit! Der Kommissar war ein ganz normaler Mann und noch besser: ein Mensch. Die Erkenntnis haute mich fast um.

    Flipper interessierte sich nicht für das Schwein. Er hatte eine neue Tüte hinter der Kasse ausgebuddelt und zerfetzte sie im Plastikrausch.
    »Fahren Sie bei mir mit?«, fragte der Kommissar, nachdem er ohne mit der Wimper zu zucken 15 Euro bezahlt hatte.
    Frau Tierladen schaute irritiert von ihm zu mir und errötete dann zart.
    »Flipper haart gerade ein bisschen und …«
    »Ich kann eine Decke auf die Rückbank legen«, sagte er und punktete natürlich gewaltig.
    »Ich fahr lieber selber«, log ich.
    »Wie Sie wollen.«
     
    Der Kommissar hatte Glück bei der Parkplatzsuche und wartete in Starnberg am Bahnhof auf mich. An der Buchhandlung neben der Unterführung steckte er einen Ratgeber zurück in das Buchkarussell. »Nein, ich interessiere mich nicht für Schüsslersalze«, lachte er mich offen an. »Ich habe einfach nur geblättert.«
    »Sie lesen auch Bücher, für die Sie sich gar nicht interessieren?

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