Alle Vögel fliegen hoch
«, fragte ich gespielt verwundert.
»Bevor man weiß, was einen interessiert, muss man wissen, worum es geht.«
Eins zu null für ihn.
In der Unterführung, die an der Seepromenade mündet, sprachen wir nicht miteinander, denn es kamen uns viele Leute entgegen, auch Jugendliche auf Skateboards, die sich einen Spaß daraus machten, eng an uns vorbeizufahren.
»Buh«, erschreckte der Kommissar einen, und der zeigte ihm den Stinkefinger. Felix grinste. Ganz locker und privat
sah er aus im milden Abendlicht am See. Aber worüber sollten wir jetzt reden? In meinem Kopf rauschte es bloß.
»Servus Felix«, wurde der Kommissar da an einer der drei Bootsverleihhütten begrüßt.
»Grüß Gott, Herr Schroppmaier«, grüßte er zurück.
Ein alter o-beiniger Mann mit einem vom Wetter gegerbten Gesicht unter einem Strohhut stellte sich uns in den Weg. Felix schüttelte ihm die Hand.
»Na Felix, wuist a paar Würmer baden?«
Felix grinste. »Schmarrn. Ich hab kei Angel dabei.«
Der alte Mann zwinkerte Felix zu. »Host ja was anders g’angelt. Was Bessas dad i song!«
Jetzt grinste ich.
»Viel los?«, fragte Felix den Bootsverleiher.
»Freilich. Jetzt druckt’ses olle aussi. Mia hom praktisch nur no zwoa Boote heraussn. Wie wär’s? Junge Dame?«
»Lust auf eine Bootsfahrt?«, fragte Felix mich.
»Da Hund derf mit!«, bot der alte Mann freundlich an.
Ich schüttelte den Kopf. Dies war ein Geschäftsessen, kein Freizeitvergnügen.
»Ja ja!«, grinste der Alte. »Ned amal rudern müsstest, Felix. Mia ham jetzt bloß no Elektroboote.«
Der Mann wandte sich an mich. »Der Felix war der beste Schifferlbua. So vui Trinkgeld wie der hot koa anderer eingschteckt. «
»Oiso, Herr Schroppmaier! Sowas verrät ma fei ned!«, rief Felix mit gespielter Empörung; Sonnenstrahlen in den Augenwinkeln.
»Die junge Dame muss doch wissen, woran sie is mit dir.«
»Und was is des jetzt genau, ein Schifferlbua?«, fragte ich.
»Der hilft den Leuten beim Einsteigen und Aussteigen und hält das Boot.«
»Ein Ferienjob«, warf Felix ein.
»Und jeds Wochnend«, ergänzte Herr Schroppmaier. »Du warst ja praktisch immer am Wassa, bis dich dann für die Madln interessiert hast.« Der Alte blinzelte mir zu. »An guaden Gschmack hat er ja schon immer ghabt, unser Felix.«
Wenig elegant wechselte Felix Thema und Intonation. »Und sonst, Herr Schroppmaier? Passt alles?«
Der alte Mann seufzte. »Bis auf den Kormoran. Des alte Lied.«
Felix zuckte mit den Schultern.
»I woaß scho, dass ma do mit dia ned redn ko. Du bist ja allawei schon imma a Grüna gwen.«
»Ich mein halt, dass der Kormoran a Bestandteil der Gewässerökosysteme ist und …«
»Ja, ja«, unterbrach der Alte. »Du bist no imma da selbe.«
»Danke gleichfalls«, gab Felix das Kompliment zurück.
Wir waren ein paar Schritte weiter, da sagte der Kommissar zu mir. »Der ist schon weit über achtzig.«
»Das sieht man ihm gar nicht an.«
»Die gute Seeluft!«
»Und warum sagt er Du zu Ihnen, und Sie sagen Sie zu ihm? Hat er Ihnen kein Du angeboten?«
»Doch. Aber das geht irgendwie nicht«, sagte der Schifferlbua. »Und außerdem ist er mir im Sie näher als viele andere im Du.«
»Und woher kennen Sie ihn?«
»Von meinem Opa.«
»Kommen Sie aus Starnberg?«
»Ja. Das heißt, nein. Mein Opa. Ich bin in München geboren. «
»Ihr Opa hat geangelt?«
»Er war ein Fischer, Frau Fischer.«
Wir gingen am Ufer entlang, er erzählte, und ich sah ihn sitzen neben seinem Opa in dem Kahn, der Jackl hieß. Ganz früh im Morgengrauen fuhren sie raus mit dem Außenborder. Als der Opa ein junger Mann gewesen war, hatte er ausschließlich gerudert, und später, wenn er Streit mit seiner Frau hatte, vermisste er das Rudern, weil es sich dabei besser denken ließ – in dem gleichmäßigen Vor und Rück und Auf und Ab und Plätschern und Schlagen. Felix durfte kein Wort sagen, und er hätte auch gar nicht reden wollen, weil der See so viel erzählte. Durch die Wolkentürme brach die Sonne, manchmal hörte man eine S-Bahn rauschen, sonst nichts. Die Fischer redeten alle nicht viel. Nur was sein musste. Und dann wurden die Netze durchgeklaubt, die der Opa abends ausgelegt hatte. »Da beugt man sich über Bord«, sagte Felix und machte es mir vor, »und nimmt mit beiden Händen die Netze aus. Wenn dann die Sonne auf die Schuppen von einem Fisch fällt – das glitzert, dass man fast eine Sonnenbrille braucht.« Vielleicht ein bisschen verlegen lachte er. Steckte
Weitere Kostenlose Bücher