Alle Vögel fliegen hoch
die Hände in die Hosentaschen. »So ungefähr.«
»Und was hat es mit dem Kormoran auf sich?«, fragte ich.
»Die Fischer sagen, der Kormoran ist ein Küstenvogel, und der hätte nichts an den heimischen Binnenseen verloren.«
»Ach ist das dieser Killer, der alle möglichen Fische tötet, ohne sie zu fressen?«
»Sehen Sie, Frau Fischer, genau das gefällt mir nicht: Zuerst wissen Sie nicht, was der Kormoran ist, und dann nennen Sie ihn Killer. Er wird auch als Unterwasserterrorist bezeichnet. Und ganz nebenbei wurde er 2010 zum Vogel des Jahres gekrönt.«
»Aha«, sagte ich verblüfft. Ich kannte Felix Tixel kein bisschen. Ich kannte nur mich selbst und meine Vorstellungen.
»Der Kormoran ist sehr intelligent und lernfähig«, führte der Kommissar aus. Anstatt selbst zu jagen, holt er die Fische aus den Netzen. Er lässt quasi andere für sich arbeiten. Er ist nicht sehr groß, aber er peckt überall rein, verletzt Fische, die er dann nicht frisst. Er schreckt auch nicht vor einer Forelle mit einem guten Dreiviertelmeter zurück. Dem ist das egal, ob er sie fressen kann oder nicht. Und das macht ihn für viele Leute so unsympathisch.«
»Für Sie nicht?«
Felix zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich lange nicht mehr mit solchen Fragen beschäftigt. In der Pubertät musste ich anderer Meinung sein als mein Opa. Waren Sie nicht auch so in dem Alter?« Er grinste. »Nein, waren Sie nicht. Sie sind von Haus aus so.«
Auf einmal standen wir am Undosa, und natürlich wusste der Kommissar, woher der Name kam. Unda heißt lateinisch Welle und das Undosa war das erste Wellenbad Deutschlands. Felix’ Urgroßvater hatte in den künstlichen Wellen eine Riesengaudi gehabt. Das klang so, als würde ihn Felix ein bisschen darum beneiden. Auch Flipper fand das Thema interessant und beobachtete uns aufmerksam. Der kluge Kommissar hatte einen Tisch bestellt, vorne am Wasser, und
nicht nur das, für einen Welcome-Drink waren zwei Liegestühle für uns reserviert.
»Campari?«, fragte der Kommissar mich.
»Orange«, sagte ich.
Er bestellte, und während wir auf den Aperitif warteten, schauten wir schweigend aufs Wasser. Glatt wie ein Spiegel und petrolblau lag uns der See zu Füßen, und ich war total durcheinander, weil ich überhaupt nicht durcheinander war. Es war einfach nur angenehm mit dem Kommissar an meiner Seite. Und mehr noch. Schön. Wahnsinnig schön.
»Machen Sie das eigentlich öfter?«, wollte ich wissen.
»Was denn?«
»Mit Auffinderinnen essen gehen?«
»Ständig«, schmunzelte der Kommissar.
»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte ich schnell.
»Wir wollen nicht vergessen, Frau Fischer, dass Flipper diese Einladung erschnüffelt hat. Sie sind praktisch bloß sein Anhängsel.«
»So ist es mir persönlich auch am liebsten«, erwiderte ich. »Wenn Flipper jetzt noch das Fernglas findet und vielleicht, wenn er gerade dabei ist, den Laptop des Toten und das eventuell vorhandene Passwort knackt – dann, Frau Fischer, lade ich ihn gern noch mal ein, und wenn es ihn freut, miete ich einen eigenen Liegestuhl für ihn.«
Die Bedienung brachte unsere Campari, und ich bedankte mich überschwänglich und widmete mich dann ausgiebig meinem Getränk. Hoffentlich war mein Gesicht nicht so rot, wie es sich anfühlte. Das Fernglas! Klaus Hases Fernglas! Ich musste mit Simon sprechen – bevor ich dem Kommissar davon erzählte. Bestimmt hatte Simon das Zeiss irgendwo gefunden.
Warum hatte er das nicht seinen Eltern erzählt?… Am besten, Flipper würde das Fernglas nachträglich aufstöbern. Ich müsste es gründlich abrubbeln, vielleicht mal ins Wasser werfen? Ich müsste…
»Noch einen, Frau Fischer?«, fragte der Kommissar.
Ich hatte mein Glas ausgetrunken. O wie peinlich!
»Ich, äh, ich hatte so Durst«, sagte ich.
»Eine Flasche Pellegrino bitte«, bestellte der Kommissar bei der Blondine mit dem tiefen Dekolleté, die auch den Campari serviert hatte.
»Wieso sind Sie eigentlich Polizist geworden und nicht Fischer?«, fragte ich, um mich vom Fernglas abzulenken.
»Ach im Grunde genommen ist das gar nicht so weit weg voneinander«, lächelte der Kommissar. »Irgendwie ist man immer am Fallenstellen und fängt manchmal dicke Fische.«
»Was für Fische kommen denn hier am See vor?«, fragte ich. Es interessierte mich nicht besonders, aber es war ein Thema. Ungefähr so spannend wie Briefmarkensammeln. Mehr hätte ich nervlich kaum verkraftet.
»Die Renke ist der Hauptfisch. Aber es gibt
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