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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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schicken können! Frau Fischer, warum begreifen Sie nicht, dass Sie sich in Gefahr begeben, ständig!«
    »Ich dachte, vielleicht hat jemand was gegen Volvos, oder es ist, weil man da eigentlich nicht parken darf, ich dachte …«
    »Es wäre mir lieber, wenn Sie nicht mehr denken würden, Frau Fischer.«
    Was würde ich machen, wenn ich nicht mehr denken würde, dachte ich. Ich würde ihn küssen, dachte ich. Zum Glück fand er mich ätzend.
     
    Der Kommissar fuhr an dem grünen Schild vorbei, das die Gegend als Landschaftsschutzgebiet auswies, ließ das ABS ruckeln, wendete und holperte in den Waldweg mit dem runden Verbotsschild. Forstwirtschaftlicher Verkehr frei. Ich würde hier nie wieder parken. Man sollte auf Verkehrsschilder achten. Die hatten schon einen Sinn. Der Kommissar hielt dort, wo er auch am Dienstag geparkt hatte, und stieg aus. Ich hoffte inständig, die Tengelmanntüte möge noch da sein und fand sie auf Anhieb im Gebüsch.

    Als ich sie öffnete, kam mir das Sandwich in einem Käse-Campari-Schwall hoch. Würgend kotzte ich in die Sträucher und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Der Kommissar äußerte sich nicht zu meinem Missgeschick. »Und, ist das der Vogel?«, fragte er ohne eine Spur von Mitgefühl in der Stimme.
    Ich räusperte mich. »Ja.«
    »Dann machen Sie die Tüte wieder zu, und zwar geruchsdicht, und geben Sie sie mir.«
    Ich tat wie befohlen. Der Kommissar stand neben dem geöffneten Kofferraum seines BMW, nahm mir die Tüte ab, steckte sie in einen grauen Müllsack und drehte ihn ein paarmal, ehe er ihn verstaute. Dann reichte er mir eine Wasserflasche und schloss den Kofferraum.
    Ich spülte meinen Mund und wusch mein Gesicht.
    Der Kommissar streckte mir einen Pfefferminzkaugummi entgegen.
    »Danke«, sagte ich.
    »Geht’s wieder?«, fragte er.
    Ich nickte.
    »Das haben Sie gut gemacht, Frau Fischer«, lobte er.
    »Ach, habe ich ausnahmsweise mal was gut gemacht?«
    »Ja. Dass Sie den Vogel sichergestellt haben – das war wirklich geistesgegenwärtig. Vielleicht finden unsere Spezialisten irgendetwas, was uns weiterbringt. Allerdings wird die Spur mittlerweile kalt sein.«
    »Das heißt, Sie glauben, dass diese Krähe etwas mit Klaus Hase zu tun hat?«
    »Es wimmelt nur so von Vögeln in diesem Fall. Schleierhaft ist mir allerdings, warum ständig Sie involviert sind,
Frau Fischer. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum das so ist?«
    War das eine Fangfrage, eine allgemeine Frage oder wollte er mir eine Brücke bauen? Aber wieso sollte mein Kontakt mit den Widmanns etwas mit der Krähe zu tun haben – das würde doch bedeuten, dass die Widmanns zu den Verdächtigen gehörten, wer bringt seinen Mieter um, das wäre doch total bescheuert. Sicher, ich würde ihm von Widmanns Häuschen erzählen. Aber nicht jetzt. Nicht noch mehr Schande auf mein Haupt. Mehr schaffte ich heute nicht. Lieber morgen. Besser übermorgen. Ich musste nachdenken. Und mit Simon sprechen. Und dann würde ich dem Kommissar alles beichten. Alles.… Es wimmelt nur so von Vögeln … Auch von meiner Begegnung mit dem Waldschrat sollte ich dem Kommissar vielleicht erzählen. Morgen oder irgendwann. Der hatte auch ein Fernglas um den Hals gehabt und Vögel beobachtet und wer weiß, was noch.
    »Bitte, ich kann morgen früh um neun nicht. Ich habe Unterricht«, log ich, denn ich hatte nicht die geringste Lust auf Moppelchen.
    »Dann am Montag«, sagte der Kommissar. Und das Foto auf Ihrem Handy, das schicken Sie mir auf mein Handy.«
    Ich zückte mein Handy und erledigte den Auftrag… fast.
    »Kein Netz«, meldete ich.
    »Ich hab eins«, sagte der Kommissar nach einem Blick auf sein Display.
    »Bringen Sie mich zurück zu meinem Auto?«, fragte ich unsicher.
    »Nein, ich lass Sie jetzt hier stehen. Mutterseelenallein. Meinetwegen kann der böse Wolf Sie fressen.«

    Ich zuckte mit den Schultern. »Flipper, Fuß!«, rief ich meinen einzigen Freund an meine Seite und stapfte los, streifte die Middle-Heels ab, lief barfuß weiter, ein großes Rotkäppchen, das sich ganz klein fühlte.
    »Franza!«, rief der Kommissar erschrocken.
    Zögernd drehte ich mich um. Flipper lief weiter, Rute auf Viertelmast.
    »Das habe ich nicht so gemeint! Ich würde Sie doch nicht allein zurücklassen!«
    »Woher soll ich das denn wissen? Ich kenne Sie doch gar nicht.«
    »Genau, Franza«, sagte der Kommissar leise, »du kennst mich nicht« und hielt die Beifahrertür auf.

14
    Sämtliche Techniken und Tricks versagten.

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