Alle Vögel fliegen hoch
gefunden?«
»Nein, das heißt, vielleicht – also, wo Sie jetzt dauernd von Vögeln geredet haben, ich meine …«
»Sprechen Sie weiter, Franza«, grinste er mich frech an. Ich zückte mein Handy und tippte die Datei mit dem Foto der auf meinen Scheibenwischer gespießten Krähe auf das Display.
»Hier!« Ich reichte dem Kommissar das Handy.
Er nahm es, schaute drauf, riss es an sein Gesicht, seine Augen weiteten sich, er warf mir das Handy in den Schoß und sprang auf. Ich sprang auch auf. Mir war schwindlig. Ich sollte dringend etwas essen.
»Was soll das, Frau Fischer?«, fragte der Kommissar. Seine Stimme klirrte wie ein Eiswürfel in einem Campariglas.
»Das war an meinem Auto. Am Dienstag. Nachdem wir uns getroffen haben und Flipper den Ast gefunden hat.«
Der Kommissar ging zwei Schritte zurück. »Und das sagen Sie mir jetzt. Hier. Heute! Am Freitag!« Er schaute mich kalt und wütend an, jedenfalls konnte ich keinen Funken Wärme mehr in seinen Augen entdecken, und die Arme verschränkte er vor der Brust.
»Ich wollte mir keine Angst einjagen lassen, außerdem wusste ich doch gar nicht, ob das wichtig ist!«
»Natürlich ist das wichtig! Das ist alles wichtig! Das ist in der Nähe des Tatorts, und es ist ein Vogel, wieder ein Vogel!«
Flipper schaute von mir zum Kommissar und zurück, und auch die Leute in den anderen Liegestühlen verfolgten unsere Auseinandersetzung mit Neugier und Interesse.
»Wissen Sie was, Frau Fischer«, sagte der Kommissar und klang nur noch offiziell, »mir ist der Appetit vergangen. Ich werde jetzt nach Hause fahren. Und morgen erwarte ich Sie auf der KPI in Fürstenfeldbruck. Um neun in der Früh. Meine Kollegin wird das Gespräch mit Ihnen führen.«
»Ich habe die tote Krähe in eine Plastiktüte gesteckt«, sagte ich. »Vielleicht liegt sie noch dort.«
»Wo?«, fragte der Kommissar.
»Am Parkplatz.«
»Warum?«
»Ich dachte …, vielleicht ist es wichtig, irgendwie.«
»Aha, also doch. Sie denken also doch. Und warum reden Sie dann nicht? Warum sagen Sie nie gleich, was ist, warum brauchen Sie für alles eine Extraeinladung, nein, Sie reden morgen mit Frau von Dobbeler …«
»Bitte!«, rief ich, ohne zu wissen, worum ich ihn bat.
»Ich habe Ihnen vertraut, Franza. Ich dachte, das Thema Verheimlichen hätten wir nun ein für alle Mal abgehakt. Ich kann Sie nicht verstehen! Warum sind Sie bloß so… so… sperrig und schwierig?«
Mir war zum Heulen. Wie eine Idiotin stand ich in meinem schönen roten Kleid vor dem Kommissar, der mich genervt musterte.
»Entschuldigung«, stammelte ich.
Der Kommissar schaute zu Boden. Sein Kiefer mahlte auf seinen Gefühlen herum.
»Kann ich meinen Kuli wiederhaben?«, fragte die Bedienung.
»Da«, sagte der Kommissar und wies auf den kleinen Tisch neben seinem Liegestuhl. »Und bitte bringen Sie zwei große Sandwiches. Und die Rechnung. Je schneller, desto besser.«
Diesmal fragte Felix mich nicht, ob ich bei ihm im Wagen mitfahren wollte, er redete überhaupt nichts. Mit langen schnellen Schritten lief er an der Seepromenade entlang, riss dabei mit scharfen Zähnen sein Sandwich in Fetzen, und ich hastete hinterher; ich hasse es, im Gehen zu essen. Als wir an seinem BWM ankamen, war er mit seinem Brot fertig, ich hatte noch eine Hälfte vor mir. Es waren sehr viele Spaziergänger und Autos unterwegs. Der Kommissar griff hinter sich und zog ein Blaulicht hervor, das er auf dem Autodach platzierte. Flipper, der ohne Decke auf der Rückbank lag, zuckte zusammen, als das Martinshorn ertönte. Ganz schön laut! Ob das nötig war, ob es jetzt wirklich darum ging, ein paar Minuten gutzumachen; die Krähe faulte seit Dienstag im Gebüsch, aber sicher – manchmal kam es auf jede Minute an, und vielleicht beruhigte den Kommissar der Klang, der ihn daran erinnerte, dass Franza Fischer eine blöde Kuh war und nur von Interesse als Auffinderin des Toten.
Am McDonald’s nahm der Kommissar das Blaulicht vom Dach. Wir hatten freie Fahrt Richtung Münsing. Der Kommissar redete nicht. Ich kaute an meinem Sandwich herum.
Flipper saß hoch konzentriert im Fond, die Ohren gespitzt. Die Atmosphäre war zum Schneiden.
»Warum, Frau Fischer«, fragte er am Ortsschild von Berg, »haben Sie mich am Dienstag nicht gleich angerufen? Ich war noch in der Nähe. Ich hätte sofort zurückkommen können. «
»Ich wollte Sie nicht stören, ich …«
»Ach!«
»Sie waren so müde.… Ich dachte …«
»Ich hätte einen Kollegen
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