Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
Tagebuch , die auch Goethes Sohn betreffen könnte: «Auch vorliegende Krankheitsfälle.» Doch selbst diese Notiz lüftet das Geheimnis nicht.
Das erste und einzige überlebende Kind aus Goethes Verbindung mit Christiane Vulpius war am 25. Dezember 1789 auf die Welt gekommen. August wurde an Weihnachten 1829 also vierzig Jahre alt, während sein Vater wenige Monate zuvor glücklich seinen achtzigsten Geburtstag hatte feiern können. August war im Schatten des Vaters aufgewachsen, der sich um seine Ausbildung gekümmert und ihm eine Stelle in der herzoglichen Verwaltung verschafft hatte. 1817 hatte er Ottilie von Pogwisch geheiratet und mit ihr drei Kinder bekommen. Wahrscheinlich hing seine Krankheit mit seinem Alkoholmissbrauch zusammen, denn Amalie von Schlabrendorf, die zweite Gattin Friedrich von Steins, der seit Kindertagen eng mit Goethe befreundet war, schrieb am 11. Dezember 1829 an ihren Gemahl: «Es ist recht betrübt für seine Frau, dieses Betrinken. Es scheint mir, als wenn die Laster der Mutter sich oft noch mehr auf die Söhne forterbten als die der Väter» – eine eindeutige Anspielung auf die Alkoholsucht, an der auch Christiane Vulpius, die 1816 verstorbene Mutter Augusts, gelitten hatte.
Nach diesem unglückseligen Dezember 1829 ist weder von Augusts Krankheit, geschweige denn von seiner Alkoholsucht, noch einmal die Rede. Knapp drei Monate später jedoch notierte Goethe am 16. März 1830 im Tagebuch, dass eine Reise Augusts im Gespräch sei. Parallel hierzu notierte am gleichen Tag Goethes getreuer Mitarbeiter Johann Peter Eckermann im eigenen Tagebuch, August habe ihm kundgetan, dass sie beide auf Anweisung seines Vaters nach Italien reisen würden. Kurz darauf rief auch Goethe Eckermann zu sich und bestätigte, was August gesagt hatte. Am 20. schrieb Eckermann an seine Frau Johanna Bertram, dass Goethe alle Kosten der Reise übernehmen wolle und diese in allen Einzelheiten vorbereite, indem er Verbindung mit ihm bekannten Künstlern und Literaten in allen wichtigen italienischen Städten sowie mit den dort residierenden deutschen diplomatischen Vertretern aufnehme. In der Tat schrieb Goethe am 21. April an den Dichter Alessandro Manzoni in Mailand, um ihm den Besuch seines Sohnes anzukündigen, der am folgenden Tag aus Weimar abreiste.
Die erste Etappe war Frankfurt, von wo aus August dem Vater die ersten Seiten seines Tagebuchs schickte, das dieser ihn gebeten hatte, für ihn während der Reise zu führen. Der Vater antwortete ihm am 30. April, und aus diesem Brief geht erstmals hervor, dass das vorgesehene Ziel Rom war. Von Frankfurt aus über die Schweiz gelangten August und Eckermann nach Mailand, wo sie den Besuch bei Manzoni machten, den Goethe dem Dichter angekündigt hatte. In dieser Stadt blieben sie mehrere Tage. August besuchte den Fisch- und den Gemüsemarkt und einige Handwerksbetriebe. Er interessierte sich auch für die Landwirtschaft und vermerkte, dass in der Poebene die Großpacht und die Viehzucht im großen Stil vorherrschten. Diese Beobachtungen künden von einem gewissen Scharfsinn und lassen Kenntnisse auf diesem Gebiet vermuten. August hatte ökonomische Interessen, dagegen keinen Sinn für Theateraufführungen, die Eckermann sehr liebte. August stand gewöhnlich nach dem ersten Akt auf und kehrte ins Hotel zurück, um sich schlafen zu legen. Er schickte auch weiterhin seine Tagebuchaufzeichnungen sofort an den Vater und versicherte ihm wiederholt seinen guten Gesundheitszustand. Das entsprach indes nicht den Tatsachen, denn aus Mailand schrieb August am 13. Mai an seine Frau Ottilie: «Ich ging wirklich so krank aus Weimar, daß ich nicht glaubte Frankfurth lebendig zu erreichen.» Frankfurt erreichte er zwar, aber es ging ihm so schlecht, dass er vier Tage lang im Bett bleiben musste, bevor er weiterreisen konnte. Am 13. Mai schrieb indes auch Eckermann an Goethe, dass es seinem Sohn jetzt viel besser gehe und er «fast ein vollkommen gesunder Mensch» sei. Zur Bekräftigung fügte er hinzu: «Er trinkt des Morgens Caffe mit mir und den Tag über nicht mehr Wein wie ich selber.» August hatte sich also wieder etwas erholt, aber Eckermann war wohl zu optimistisch, denn aus den Tagebuchstellen, die August an seinen Vater schickte, geht hervor, dass er immer noch wie ein Schwamm trank. So berichtete er unter dem Datum 12. Mai, wie er mit Eckermann in einer Osteria eingekehrt war, wo sie sich «ein Cottlet und einen musierenden Wein wolschmecken ließen,
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