Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
hatte ihm die Erlaubnis zum Export erteilt, um dann aber festzustellen, dass dieser Venus der Kopf einer anderen, sehr viel weniger schönen Venus aufgesetzt und ihr ein neues Bein und zwei neue Arme verpasst worden waren. Solche Zusammenstückelungen waren bei Jenkins an der Tagesordnung, sodass unter den Experten die Rede ging, er sei fähig, von seinen Restauratoren aus dem Fragment einer antiken Statue eine ganze Skulptur machen zu lassen, der dann ein Arm gebrochen würde, um sie dem englischen Liebhaber besser als echtes Ausgrabungsstück unterschieben zu können. Einer der sensationellsten Fälle ist die sogenannte Jenkins-Vase. Dieses Stück hatte er mit Hilfe des in seinen Diensten stehenden Bildhauers Joseph Nollekens geschaffen, indem er eine antike Brunneneinfassung von 76 cm Höhe in eine große, reich dekorierte Vase von 1,72 m Höhe verwandelte. Über diese Vase ließ er 1775 von einem gewissen Orazio Orlandi eine kleine Schrift publizieren mit dem Titel: Le nozze di Paride e d’Elena rappresentate in un vaso antico del museo del sig. Tommaso Jenkins. Im Laufe der Jahre dehnte Jenkins seinen Aktionsradius immer weiter aus. Er machte sich nun daran, ganze Sammlungen zu kaufen, was ihm auch deshalb möglich wurde, weil er mit dem zunehmenden Umfang seiner Geschäfte auch über größere finanzielle Mittel verfügte. 1768 erwarb er einen schönen Posten von antiken Marmorstücken aus der Sammlung Carafa im Palazzo Colombrano in Neapel. 1774 kaufte er zusammen mit seinem Landsmann Gavin Hamilton zahlreiche Marmorantiken aus der Sammlung Mattei, darunter viele Urnen. Um deren Wert zu erhöhen, ließ Jenkins lateinische Grabinschriften darauf anbringen. Als der Altertumsforscher Ennio Quirino Visconti 1787 seinen Catalogo dei monumenti scritti del museo Jenkins veröffentlichte, bemerkte er die Fälschungen nicht und publizierte die Inschriften als antik. Jedenfalls gelang es dem schlauen Engländer schon bald, viele Statuen aus dem Besitz der Mattei zu teurem Preis wie gewöhnlich an englische Aristokraten zu verkaufen. Um die gleiche Zeit fasste man den Entschluss, die Villa Giulia, die Papst Julius III. im 16. Jahrhundert erbaut hatte, zu restaurieren. Jenkins, der damals in besten Beziehungen zu Papst Clemens XIII., dem Initiator des Unternehmens, stand, übernahm es, die aufwendige Publikation des illustrierten Bands zur Villa und deren Geschichte zu finanzieren. Was Jenkins an der ganzen Angelegenheit vor allem interessierte, waren die etwa zwanzig antiken Skulpturen, die sich in der Villa befanden und die in die Vatikanischen Museen überführt werden sollten. In Wirklichkeit gelangten nur wenige dorthin, während der Großteil nach England kam, wo sie sich noch heute befinden. Der Schluss, zu dem die Forschung kam, ist, dass Jenkins sie heimlich beiseite schaffte, um sie nach England zu verkaufen.
Das größte Geschäft in seiner ganzen Karriere als Kunsthändler machte Jenkins 1785, als er die große Antikensammlung in der Villa Peretti-Negroni erwarb. Diese Villa war 1581 von Kardinal Felice Peretti, dem späteren Papst Sixtus V. (1585–1590), erbaut worden, 1696 war sie in den Besitz von Kardinal Gianfrancesco Negroni gekommen. 1784 gelangte sie in die Hände des toskanischen Kaufmanns Giuseppe Staderini, der damit begann, Jenkins eines der wertvollsten Stücke zu verkaufen, die Vatikanische Karyatide , um ihm dann im Jahr darauf auch alle anderen Statuen zu überlassen. In einem Brief vom 28. September 1785 verkündete Jenkins, sie für den englischen Sammler Charles Townley kaufen zu wollen, der ihm eine Liste der Skulpturen schickte, die er zu erwerben wünschte. Kurz darauf sandte ihm Jenkins die betreffenden Zeichnungen, die Carlo Dolcibene, der Zeichner seines Vertrauens, angefertigt hatte. Das Geschäft zog sich noch eine Weile hin und kam auch Goethe zu Ohren, der am 29. Oktober 1786 abends in der ewigen Stadt angekommen war. Beeindruckt von der enormen Bedeutung der Skulpturen, schrieb er darüber am 20. Januar 1787 an Herzog Carl August von Weimar: «Vor einigen Tagen waren wir bey Jenckins. Dieser kluge und glückliche Schalck besitzt die herrlichsten Sachen. Er hat sich von kleinen Anfängen, durch geschickten Gebrauch der Zeit, der Umstände und durch Vorschub seiner Landsleute zu einem großen Vermögen heraufgebracht. Erst neulich als die Villa Negroni zu Kauf stand, associirte er sich mit einem, der zu dem Grund und Boden Lust hatte, er trat für die Statuen an und
Weitere Kostenlose Bücher