Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
für allen Marmor in der Villa. Dafür gab er 12.000 Scudi. Nun wendet er vielleicht noch 6000 auf die Restauration und den größten Theil dieser Summe löst er aus drey sitzenden Statuen wieder, die köstlich schön sind und drey Philosophen vorstellen.» Die von Goethe bewunderten Statuen waren ein Menander , ein Posidippus (er kam in die Vatikanischen Museen) und vielleicht ein Plato , der nach England ging.
Goethes Urteil über Jenkins war durchaus zutreffend und detailliert. Offenbar war der englische Kunsthändler in dem Milieu, in dem Goethe sich zu bewegen begann, so gut bekannt, dass der Dichter schon in den wenigen Monaten nach seiner Ankunft so viel von ihm erfuhr, dass er sich ein gutes Bild von ihm machen konnte. Jenkins war in der Tat eine sehr repräsentative Persönlichkeit innerhalb der römischen Ausländerkolonie geworden. In einem 1775 in Rom gedruckten und ihm gewidmeten Stadtführer wird er als der beste Kenner der Stadt und ihrer höchsten Kreise bezeichnet. Er bewohnte ein herrschaftliches Haus, die Casa Celli an der Via del Corso Nr. 504, die nur wenige Meter von der Wohnung entfernt lag, in der Goethe logierte. Jenkins’ Haus war das Ziel aller Fremden von einigem Rang, weil er hier prächtige Antiken ausstellte. Neben vielen anderen Gästen registrieren die römischen Annalen 1772 den Besuch von Wilhelm Heinrich, Herzog von Gloucester und Bruder des englischen Königs Georg III., der von den Fenstern von Jenkins’ Haus aus dem anlässlich des Karnevals veranstalteten Pferderennen zusah. 1774 kam ein zweiter Bruder des englischen Königs nach Rom, Heinrich Friedrich, Herzog von Cumberland, der bei Jenkins speiste und dank dessen Einfluss am päpstlichen Hof von Papst Clemens XIV. in Audienz empfangen wurde. 1776 bewunderte auch die Erzherzogin Maria Christina von Österreich seine Antikensammlung, 1782 besuchte ihn Paul, der Sohn der Zarin Katharina II. von Russland, 1784 sogar der König von Schweden, Gustav III., höchstpersönlich. Als protestantisches Königreich unterhielt England keine diplomatische Vertretung beim Heiligen Stuhl, aber seit 1777 bekleidete Jenkins die allerdings nur halboffizielle Funktion eines diplomatischen Agenten der englischen Regierung. Es ist bekannt, dass er für diese schon jahrelang Spionagedienste zu Lasten der letzten Stuarts, die nach Rom geflüchtet waren, leistete. Auch wenn Goethe den Engländer nicht übermäßig schätzte, so war dieser doch zu gut in der römischen Gesellschaft eingeführt, um Kontakte mit ihm vermeiden zu können. Natürlich galt Goethes Hauptinteresse den antiken Objekten, die Jenkins in seinem Haus zur Schau stellte und den Besuchern zum Verkauf anbot. Nach dem ersten Besuch – jenem von dem er Herzog Carl August berichtete – kehrte er im selben Januar noch einmal zu Jenkins zurück in der Hoffnung, wenigstens ein kleines Stück erwerben zu können. Doch wie er am 27. an Frau von Stein schrieb, musste er wegen des «ungeheuren» Preises, den Jenkins auch für das kleinste Objekt verlangte, Abstand davon nehmen. Die Versuchung war indessen unwiderstehlich, sodass Goethe im Februar Jenkins’ Wohnung noch einmal aufsuchte, um endlich zu einem erträglichen Preis zwei Gemmen mit eingeschnittenen Löwen zu kaufen. Goethe kam auch in Berührung mit der Bank, die Jenkins einige Zeit zuvor in Rom eröffnet hatte, und hier mit dessen emsigen Angestellten und Geschäftsführer Carlo Ambrogio Riggi.
Am Ende entstand dann doch ein irgendwie freundschaftliches Verhältnis, sodass Goethe Jenkins 1787 an einem heißen Juliabend zum Konzert einlud, das er für einen kleinen, auserlesenen Freundeskreis in seiner Wohnung gab. Der Engländer hatte inzwischen begriffen, wer der Deutsche war, der sich inkognito in Rom aufhielt, und lud ihn seinerseits im Oktober zu einem rund dreiwöchigen Aufenthalt in sein Landhaus in Castelgandolfo ein, wo er Personen von besonderem Ansehen im Hinblick auf die mit ihnen zu machenden Geschäfte gastlich aufnahm. Unter den Freunden und Bekannten, denen Goethe hier begegnete, befanden sich auch seine Herzensfreundin Angelika Kauffmann sowie Jenkins’ Angestellter Riggi mit seiner hübschen Schwester Maddalena. So entwickelte sich im Laufe dieser Wochen jene fiktive Liebesgeschichte mit der «schönen Mailänderin», die Goethe später in einem der schönsten Kapitel der Italienischen Reise erzählt. Nach diesem Aufenthalt hatte Goethe anscheinend keinen direkten Kontakt mehr zu Jenkins, doch benutzte
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