Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
hatte den Weg auf der Karte studiert und überlegt, den Weg über Volterra und Siena zu nehmen, um von dort aus über die Via Cassia Ende September in Rom anzukommen. Er schien sich inzwischen damit abgefunden zu haben, das ihm vom Vater bestimmte Reiseziel zu erreichen. Geheilt verließ er La Spezia am 19. August und reiste mit der Kutsche nach Livorno, wo er zwei Tage später anlangte. Aber statt gleich weiterzureisen, zog er es vor, einen Ausflug nach Florenz zu machen, von wo aus er am 24. August dem Vater schrieb, dass er es doch für besser halte, nicht mit der Kutsche nach Rom zu reisen, weil er erfahren habe, dass dort in dieser Jahreszeit die Malaria grassiere. Es sei deshalb besser, in Livorno ein Schiff nach Neapel zu nehmen, um dann Ende September von dort aus mit der Kutsche nach Rom zu fahren. Am 5. September kehrte er von Florenz nach Livorno zurück und bestieg am 9. September das Schiff nach Neapel. Als dieses am nächsten Tag in Civitavecchia anlegte, sah August viele Passagiere an Land gehen. Er tat dies auch, sah aber schnell, dass die Hafenstadt sehr hässlich war und kehrte wieder aufs Schiff zurück, um die Reise nach Neapel fortzusetzen. Hier kam er am 12. September an und schrieb am nächsten Tag an den Vater, dass ihn dessen alter Freund Wilhelm Zahn aufgesucht habe. Dieser habe ihm den Vorschlag gemacht, eine Wohnung zu mieten und den Aufenthalt in Neapel zu verlängern, um zusammen mit ihm die herrliche Umgebung zu erkunden. Zahn führte ihn nach Paestum, Sorrent, Amalfi und Pompeji, und August blieb einen ganzen Monat in Neapel. Endlich mietete er eine Kutsche und betrat Rom am 15. Oktober entgegen der Familientradition durch die Porta San Giovanni und nicht durch die Porta del Popolo wie sein Vater und sein Großvater Johannn Caspar Goethe.
Er stieg im Hotel d’Allemagne ab und schrieb am 16. Oktober an den Vater: «Mein höchster Wunsch ist erfüllt!», doch in Wahrheit war es nicht der eigene, sondern der Wunsch des Vaters, der sich erfüllte. Am gleichen Tag teilte er auch der Freundin Wilhelmine Gille seine Ankunft in Rom mit. Ihr schrieb er, er habe den Weg von Neapel in größter Geschwindigkeit zurückgelegt, in nur 26 Stunden, wo andere gewöhnlich dreieinhalb Tage bräuchten. Nach langem Zögern hatte August beschlossen, das ihm vom Vater gesetzte Ziel nicht länger zu meiden. Jetzt war er in Rom und schrieb mit einer gewissen Zufriedenheit, als sei es ihm gelungen, eine schwierige Verpflichtung dem Vater gegenüber zu erfüllen. Er fügte indes auch etwas melancholisch hinzu: «Es ist die erste, aber auch wahrscheinlich die letzte Reise, die ich mache.» Kaum angelangt, nahm er Verbindung mit dem jungen Maler Friedrich Preller auf, einem Bekannten seines Vaters, der ihn als Führer durch die Stadt begleitete. Auch unterließ er es nicht, bei Georg Kestner einen Besuch zu machen, dem Sohn jener Charlotte Buff, die Goethe viel Stoff für den Werther geliefert hatte. Kestner war Hannoverscher Ministerresident in Rom und unterstützte August ebenfalls während seines kurzen römischen Aufenthalts. Dem Vater erklärte August, sich in Rom endlich frei zu fühlen, und drückte seine Genugtuung darüber aus, es geschafft zu haben, die tausend Schwierigkeiten, vor die ihn eine solch lange Reise gestellt hatte, zu überwinden. Der letzte Eintrag im Tagebuch trägt das Datum 23. Oktober. Danach nichts mehr, denn August erkrankte schwer und starb nach wenigen Tagen am 27. Oktober 1830.
In einem langen Brief vom 28. Oktober berichtete Kestner dem Vater Goethe über den Verlauf der Krankheit, die so rasch zum Tod von August geführt hatte, ohne dabei dessen Alkoholprobleme auch nur anzudeuten. In einem Brief vom 2. November an den Kanzler Friedrich von Müller, den hohen Weimarer Beamten und Goethes engen Freund, gab er jedoch die Zurückhaltung auf und schrieb, wie sich die Dinge in Wirklichkeit zugetragen hatten. Die Obduktion hatte ergeben, dass der wahre Grund von Augusts Tod tatsächlich der Alkohol gewesen war. Neben anderen bekannten Symptomen dieser Krankheit fand man, dass seine Leber fünfmal so groß war wie eine normale. Nach dem Befund des Arztes, der die Obduktion vorgenommen hatte, war «ein nahes Ende (…) unvermeidlich gewesen». Alle, die mit ihm in Berührung gekommen waren, hatten bemerkt, «daß er zu viel Wein trank», und zwar zu jeder Tagesstunde. Kestner fügte hinzu: «Der Arzt erkannte gleichfalls diesen Grund seines zerrütteten inneren Baues, und
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