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Alle Wege führen nach Rom

Alle Wege führen nach Rom

Titel: Alle Wege führen nach Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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Primizianten schützt die deutsche
Staatsangehörigkeit bestimmt nicht vor Kerker oder noch ärgeren Dingen. Und
merkwürdig, obwohl ihr von der mitreisenden Geistlichkeit der Kaplan am
wenigsten gefallen hatte, vermochte sie sich ihn doch am ehesten als Märtyrer
vorzustellen. Der Monsignore gäbe wohl eine weniger heldische Figur ab, zumal,
wenn es den Henkern einfallen sollte, ihn auf einen glühenden Rost zu binden
wie seinen Namenspatron Laurentius.
    Revolution — darum also die trüben Ahnungen vor
Antritt der Reise! Und Schwester Felizitas hatte sie deswegen ausgelacht. Ob
sie wohl weinen wird, wenn sie von diesem traurigen Ende erfährt? Sicher wird
sie weinen. Und die Kinder noch viel mehr.
    Schon flackerte roter Feuerschein durch die
Jalousien, wurde das Knattern immer ungestümer, das Triumphgeschrei immer
wilder. Gleich werden sie da sein, die Schergen des Satans, die gottlosen
Moskowiter! Da, es pochte an der Türe, noch einmal, und noch einmal---
    Schwester Annaberta, mit dem bürgerlichen Namen
Vogelwieser, stellte sich kerzengrade auf, entschlossen, sich nicht hinterrücks
erdolchen zu lassen, sondern dem Angreifer zunächst einmal mit dem heißen
Bügeleisen die Wange zu streicheln und ihr Leben bis zum letzten Seufzer zu
verteidigen. »Herein!« rief sie, plötzlich besessen von Mut.
    Doch die Tür öffnete sich nur einen schmalen
Spalt. Und Sulamiths Stimme flüsterte: »Kommen Sie heraus auf die Veranda,
Schwester! Sie dürfen das auf keinen Fall versäumen: die Florentiner brennen
ein Feuerwerk ab, zu Ehren ihres Stadtpatrons, wie Sie noch keines gesehn!«
    Schwester Annaberta träumte nur selten. Doch in
dieser Nacht erschien ihr der eigene Grabstein, in der Form eines Bügeleisens,
und drauf stand die Inschrift:
     
    »Hier ruht Schwester Annaberta,
    Jungfrau und Märtyrerin.
    Requiescat in pace!«
     

III Vom ersten Marsch durch Rom oder
wie der Schwester erst die Sorge um
Fräulein Eva und dann auch noch der Rasierapparat abgenommen wurde
     
     
    »Roma aeterna, Roma aeterna, Roma aeterna« sangen
die Räder, als der Zug durch die Tiberebene donnerte und sich die Pilger an den
Fensterscheiben die Nasen plattdrückten, wollte doch jeder als erster die
Peterskuppel entdecken. Endlich ertönte das erlösende »Da ist sie! Da ist sie!«
Alles sprang auf, nur Schwester Annaberta rührte sich nicht von ihrem
Polstersitz. Sie hatte seit Florenz wenig gesprochen. Sie wollte ihre gespannte
Erwartung nicht durch billiges Geplauder lockern. Aber nun wird es nur noch
wenige Minuten dauern, und sie wird den Boden der Ewigen Stadt betreten. Wie
oft hatte sie von diesem Augenblick geträumt, hatte ihn ersehnt — und nun hatte
ihr die Dankbarkeit der einstigen Waisenkinder das große Glück verschafft,
ausgerechnet ihr, die es doch von allen Schwestern bestimmt am wenigsten
verdiente. (So meinte sie.)
    Riesige Mietskasernen glitten am Fenster vorbei,
dann eine lange Friedhofsmauer. Als sich die Gleise im Galopp vermehrten,
bremste der Zug sein Tempo und stand schließlich still: Stazione Termini.
    Kein Pilger beugte sich nieder, um den Boden zu
küssen. Jeder hatte Mühe genug, seine sieben Sachen beisammenzuhalten und sich
mit heilen Knochen durch das Menschenknäuel zu winden. Der Monsignore schwitzte
vor Verantwortung. Doch der Schweiß machte sich bezahlt: alle seine Schäfchen
fanden sich vollzählig in der Bahnhofshalle ein und nur der Herr Baron von Neuhaus
hatte seine Geldbörse eingebüßt. Das war gottlob nur ein geringer Schaden. Über
größere Beträge verfügte ohnehin seine Frau. In Omnibussen fuhr man zu den
Quartieren. Dort angekommen, sanken die Pilger erschöpft auf die Betten nieder,
mit Ausnahme der Jungfer Emerenz Obermair, die als erfahrene Wallfahrerin das
Bett zunächst genauestem nach Wanzen durchsuchte. Doch keines dieser
anhänglichen Tierlein, die sich von vielen Pilgerstätten genausowenig
vertreiben lassen wie die zuckernen Rosenkränze, ließ sich blicken.
    Da es nun schon gegen 4 Uhr nachmittags und zudem
drückend warm war, hatte die Reiseleitung keine Besichtigungen vorgesehen,
sondern allgemeine Ruhe verordnet. Wer Lust hatte, konnte selbstverständlich
auf eigene Faust die Stadt durchstreifen. Allerdings warnte der Monsignore
davor; denn schon mancher Pilger habe sich in Rom verlaufen und sei auf
Nimmerwiedersehen verschwunden.
    Ein schrecklicher Gedanke! Doch hielt er Annaberta
nicht davon ab, die Gelegenheit zu nützen und ihr Vorhaben auszuführen.

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