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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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das kleine Kindermädchen ihre Plätze eingenommen hatten, trabte das alte Pferd los. Boxer, der von nichts wußte, rannte vor und zurück, rannte um den Wagen und bellte ebenso triumphierend und fröhlich wie immer.
    Als Tackleton ebenfalls fortgegangen war, um May und ihre Mutter nach Hause zu bringen, ließ sich der arme Caleb am Feuer neben seiner Tochter nieder. Er war im Innersten besorgt und reuevoll und sagte, sie wehmütig betrachtend: „Da habe ich sie von Kindheit an betrogen, um ihr schließlich das Herz zu brechen!“
    Die Spielsachen, die er für das Baby in Gang gesetzt hatte, waren schon lange stehengeblieben und abgelaufen. Bei dem schwachen Licht und dem Schweigen hätte man sich von den unerschütterlich ruhigen Puppen, den sich hin und her bewegenden Schaukelpferden mit aufgerissenen Augen und geblähten Nüstern, den alten Herren vor den Haustüren, die halb zusammengekrümmt auf ihren schwachen Knien und Knöcheln standen, den schiefgesichtigen Nußknackern und den Tieren in Zweierreihen (wie bei einem Internatsausflug) auf dem Weg in die Arche vorstellen können, daß sie vor Staunen sprachlos waren, weil Pünktchen wegen irgendeiner Verknüpfung von Umständen unaufrichtig war und Tackleton geliebt wurde.
    Drittes Zirpen
    Die Schwarzwälder Uhr in der Ecke schlug zehn, als sich der Fuhrmann an den Kamin setzte. So betrübt und sorgenvoll, daß er den Kuckuck zu erschrecken schien, der, nachdem er seine zehn melodischen Schläge so schnell wie möglich erledigt hatte, wieder in seinen maurischen Palast zurückstürzte und seine kleine Tür hinter sich zuschlug, als ob dieser ungewohnte Anblick zuviel für seine Gefühle wäre.
    Wenn der kleine Heumacher mit der schärfsten Sense ausgerüstet gewesen wäre und dem Fuhrmann bei jedem Zug ins Herz gestoßen hätte, hätte er es niemals dermaßen verwunden können, wie es Pünktchen getan hatte.
    Dieses Herz war voller Liebe zu ihr und von unzähligen Fäden schöner Erinnerungen zusammengehalten, die aus den täglichen Beweisen ihrer Zuneigung gesponnen waren. Es war ein Herz, in das sie sich so zart und fest eingeschlossen hatte; ein Herz, das so einmalig und aufrichtig in seiner Treue war; so stark im Recht und so schwach im Unrecht war, daß es zunächst weder Leidenschaft noch Rache empfinden konnte und nur Platz hatte, das zerbrochene Bild seines Idols zu bewahren.
    Doch allmählich, während der Fuhrmann grübelnd auf seinem jetzt kalten und dunklen Herd saß, begannen andere und grimmigere Gedanken in ihm aufzusteigen, so wie ein stürmischer Wind in der Nacht aufkommt. Der Fremde weilte unter seinem geschändeten Dach. Mit drei Schritten wäre er an seiner Kammertür. Ein Schlag würde sie eindrücken. „Sie könnten einen Mord begehen, ehe Sie sich’s versehn“, hatte Tackleton gesagt. Wie könnte es Mord sein, wenn er dem Schurken Zeit gäbe, sich zur Wehr zu setzen? Er war der jüngere Mann.
    Es war ein unangebrachter, für seine traurige Gemütsverfassung schlechter Gedanke. Es war ein zorniger Gedanke, der ihn zu einem Racheakt anstachelte, der das fröhliche Haus in einen heimgesuchten Ort verwandeln sollte, an dem vorbeizugehen einsame Reisende Furcht haben und wo die Ängstlichen bei blassem Mondlicht Schatten sehen würden, die in den verfallenen Fenstern kämpften, und wo sie bei stürmischem Wetter wilden Lärm hören würden.
    Er war der jüngere Mann. Ja, ja, ein Liebhaber, der das Herz gewonnen hatte, das er niemals gerührt hatte. Ein Liebhaber ihrer Wahl, an den sie gedacht, von dem sie geträumt und nach dem sie sich gesehnt hatte, als er sie so glücklich an seiner Seite wähnte. O welche Pein, daran zu denken!
    Sie war mit dem Baby im oberen Stockwerk gewesen, um es zu Bett zu bringen. Während er grübelnd am Herd saß, trat sie dicht neben ihn, ohne daß er es wahrnahm – in seinem großen Kummer hörte er über alles hinweg –, und stellte ihren kleinen Schemel vor seine Füße. Er merkte es erst, als er ihre Hand auf seiner spürte und sah, wie sie ihn anblickte.
    Erstaunt? Nein. Das war sein erster Eindruck, und es lag ihm daran, sie wieder anzusehen, um es richtigzustellen.
    Nein, nicht erstaunt. Ungeduldig und forschend, aber nicht erstaunt. Zuerst war ihr Blick beunruhigt und ernst, dann verwandelte er sich in ein fremdes, wildes, furchtbares Lächeln, das seine Gedanken erriet. Dann blieben nur noch ihre vors Gesicht gehaltenen Hände, ihr gesenktes Haupt und das herabfallende Haar.
    Obwohl er das Recht

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