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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Cribbage, Sie und ich? Das macht Spaß. Die Karten und das Brett, Pünktchen. Und ein Glas Bier, wenn noch was übrig ist, kleine Frau!“
    Seine Aufforderung war an die alte Dame gerichtet, die sie mit gnädiger Bereitschaft annahm und mit der er bald ins Spiel vertieft war. Zuerst blickte der Fuhrmann lächelnd um sich oder rief Pünktchen hin und wieder, damit sie ihm über die Schulter in sein Blatt lugen und ihn an schwierigen Punkten beraten sollte. Doch seine Widersacherin, die eine strenge Spielerin war und gelegentlich der Schwäche unterlag, mehr Pflöcke anzuzeigen, als ihr zukamen, erforderte von ihm so große Wachsamkeit, daß er für nichts anderes Augen und Ohren hatte. Somit wurde seine gesamte Aufmerksamkeit allmählich auf die Karten gelenkt, und er dachte an nichts anderes, bis ihm eine Hand auf seiner Schulter Tackleton ins Bewußtsein zurückrief.
    „Es tut mir leid, Sie zu stören. Auf ein offenes Wort.“
    „Ich bin grade beim Geben“, erwiderte der Fuhrmann. „Es ist ’ne Krise.“
    „Das ist es“, sagte Tackleton. „Kommen Sie schon her, Mann!“
    In seinem Gesicht lag eine Blässe, die den anderen sofort aufstehen und ihn hastig fragen ließ, was denn los sei.
    „Pst! John Peerybingle“, sagte Tackleton. „Es tut mir für Sie leid. Wirklich. Ich habe das befürchtet. Ich habe es von Anfang an vermutet.“
    „Was ist denn?“ fragte der Fuhrmann mit erschreckter Miene.
    „Pst! Ich zeige es Ihnen, wenn Sie mitkommen.“
    Der Fuhrmann begleitete ihn ohne ein Wort. Sie gingen über den Hof, wo die Sterne leuchteten, durch eine kleine Seitentür in Tackletons Büro hinein. Dort gab ein Fenster den Blick in den Verkaufsraum frei, der über Nacht geschlossen war. Im Büro selbst brannte kein Licht, aber in dem schmalen, langen Verkaufsraum gab es Lampen, und demzufolge war das Fenster hell.
    „Einen Augenblick!“ sagte Tackleton. „Glauben Sie, daß Sie es ertragen können, durch das Fenster zu sehen?“
    „Warum nicht?“ erwiderte der Fuhrmann.
    „Einen Augenblick noch“, sagte Tackleton. „Wenden Sie keine Gewalt an. Es hat keinen Sinn. Es ist auch gefährlich. Sie sind ein kräftig gebauter Mann, und Sie können, ehe Sie sich’s versehn, einen Mord begehen.“
    Der Fuhrmann schaute ihm ins Gesicht und prallte einen Schritt zurück, als hätte er einen Schlag bekommen. Mit einem Satz war er am Fenster und sah …
    O Schatten auf dem Herd! O getreues Heimchen! O treuloses Weib!
    Er sah sie mit dem alten Mann, der nicht mehr alt, sondern aufrecht und stattlich war und der das unechte weiße Haar in der Hand hielt, mit dem er sich in ihr verlassenes und armseliges Heim geschlichen hatte. Er sah, wie sie ihm zuhörte, als er den Kopf neigte, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern; wie sie ihm gestattete, sie um die Taille zu fassen, als sie langsam die dunkle Holzgalerie entlanggingen bis zur Tür, zu der sie hereingekommen waren. Er sah, wie sie stehenblieben und sie sich umdrehte – damit sich das Gesicht, das er so liebte, seinen Blicken darbot! –, und er sah, wie sie ihm eigenhändig und dabei über seine Arglosigkeit lachend die Täuschung aufsetzte. Er preßte seine starke rechte Hand zunächst zusammen, als ob sie einen Löwen niedergeschlagen hätte. Doch als er sie sofort wieder öffnete, zeigte er sie Tackleton (denn er nahm sogar jetzt Rücksicht auf Pünktchen) und stürzte dann, als sie hinausgingen, an einem Tisch nieder und war so schwach wie ein Kind.
    Er war bis zum Kinn eingewickelt und mit seinem Pferd und den Päckchen beschäftigt, als sie ins Zimmer kam und für den Heimweg bereit war.
    „Nun, lieber John! Gute Nacht, May. Gute Nacht, Bertha.“
    Konnte sie sie küssen? Konnte sie vergnügt und heiter beim Abschied sein? Konnte sie es wagen, ihnen ihr Gesicht zu zeigen, ohne zu erröten? Ja. Tackleton beobachtete sie genau, und all das tat sie.
    Tilly besänftigte das Baby, und sie lief ein dutzendmal an Tackleton vorbei und wiederholte einschläfernd:
    „Hat die Nachricht, daß sie seine Frau werden sollte, fast die Herzen gebrochen? Und haben die Väter sie von Kindheit an betrogen, um schließlich ihre Herzen zu brechen?“
    „Tilly, gib mir jetzt das Baby! Gute Nacht, Mr. Tackleton. Wo ist John, um Himmels willen?“
    „Er wird neben dem Pferd herlaufen“, sagte Tackleton, der ihr auf den Sitz hinauf half.
    „Mein lieber John läuft? Heute abend?“
    Die verhüllte Gestalt ihres Mannes gab hastig ein Ja zu verstehen, und da der unechte Freund und

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